Während sich Business Intelligence auf die Auswertung historischer Ereignisse konzentriert, versucht Advanced Analytics Vorhersagen über die Zukunft zu machen und wie sich Parameteränderungen auf zukünftige Ereignisse auswirken. In zahlreichen Unternehmensbereichen kommt Advanced Analytics bereits zum Einsatz, um beispielsweise Marketingstrategien an Zielgruppen anzupassen, bedarfsgerechte Wartungszyklen zu definieren oder Ausfallrisiken von Maschinen zu minimieren. Doch auf strategischer Ebene findet Advanced Analytics in vielen Unternehmen bislang wenig Anwendung – trotz zahlreicher Mehrwerte. Ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Einführung von Advanced Analytics ist das Schaffen einer Kultur, in der Daten integraler Bestandteil der Arbeit sind.

Die Anwendungsvielfalt von Advanced Analytics

Der enorme Zuwachs an Datenmengen bei Unternehmen und die Möglichkeiten große Datenmengen bei geringen Kosten zu verarbeiten und auszuwerten, hat die Anwendung von Advanced Analytics maßgeblich gefördert. Als Teilbereich der Datenverarbeitung setzt Advanced Analytics den Fokus auf das Vorhersagen der Zukunft und agiert damit gegensätzlich zu Business Intelligence, bei dem es um historische Ereignisse und deren Auswertung geht. Advanced Analytics soll helfen zu verstehen, was in der Zukunft passieren wird und wie sich die Änderung eines Parameters auf zukünftige Ergebnisse auswirken wird.

Aufgrund des Fortschrittscharakters setzen die Erstellung und Anwendung von Modellen im Bereich Advanced Analytics fortgeschrittene statistische Methoden- und Programmierkenntnisse voraus. Häufig eingesetzte Tools sind beispielsweise Clusteranalysen, Text bzw. Data Mining, Regressionsanalysen, Machine Learning und künstliche neuronale Netze. Advanced Analytics findet mittlerweile in allen Unternehmensbereichen Anwendung. Clusteranalysen werden häufig im Marketing angewandt. Mithilfe von Algorithmen werden Verbraucherdaten analysiert und gruppiert. Auf diese Weisen können Marketingstrategien und Werbekampagnen besser auf Zielgruppen abgestimmt werden. Sentiment-Analysen sind eine Form des Text Mining. Dabei werden Textphrasen zu beispielsweise einem Unternehmen und dessen Produkten durchsucht, um die aktuelle Stimmungslage festzustellen, da es praktisch nicht möglich ist, alles durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erfassen.

Im Bereich von Manufacturing ist Predictive Maintenance ein bedeutendes Thema. Bei Unternehmen mit großer Infrastruktur und technischer Ausrüstung sind die Kosten von Ausfallzeiten maschineller Anlagen aufgrund von Maschinenproblemen sehr kostspielig. Mithilfe der Auswertung von Daten und Metriken können bedarfsgerechte Wartungszyklen definiert werden und so die Effizienz der Maschine gesichert und ein potenzielles Ausfallrisiko minimiert werden. Dynamic Pricing fällt ebenfalls in den Bereich von Advanced Analytics. Mithilfe variabler Preise sollen bestmögliche Umsatzergebnisse erreicht werden. Die Preisanpassungen richten sich nach prognostizierten Bedarfsschwankungen und versuchen die größtmögliche Preisbereitschaft der Kunden abzuschöpfen.

Bedeutend ist, dass Advanced Analytics zwar in allen Unternehmensbereichen eingesetzt wird, allerdings wenig Anwendung auf strategischer Ebene findet. Strategische Entscheidungen basieren auf Daten und der Erfahrung des Managements. Es fließen Kreativität, out-of-the-box Denken und konzeptionelles Denken ein. Mithilfe von Advanced Analytics können strategische Entscheidungen um ein Vielfaches besser werden. Zahlreiche Mehrwerte sollten die Strategieebene eines Unternehmens davon überzeugen.

Mehrwerte von Advanced Analytics für Corporate Strategy

Advanced Analytics kann helfen neue Wachstumschancen und Trends zu identifizieren. Dabei kann es sich um neue Produktideen, neuartige Anwendungsmöglichkeiten für bereits bestehende Produkte handeln oder attraktive Akquisitionsobjekte, die in der Zukunft ein Trendthema bedienen und derzeit noch stark unterbewertet sind. Zum Einsatz kommen dabei Data und Text Mining und Netzwerkanalyse. Öffentlich zugängliche Quellen können nach Produkten des Unternehmens und Verbindungen zu anderen Begriffen analysiert werden. So kann beispielsweise abgeleitet werden, falls ein Produkt in einem gewissen Zusammenhang Anwendung findet, wofür es ursprünglich nicht vorgesehen wurde. Auf diese Weise lassen sich neue Anwendungsmöglichkeiten für existierende Produkt identifizieren. Auch die Auswertung der Häufigkeit von bestimmten Begriffen und Textphrasen kann als Instrument zur Trendidentifikation dienen. Mit Sentimentanalysen kann ergänzend auch erkannt werden, ob es eine positive oder negative Haltung zu dem Begriff gibt, um die allgemeine Stimmungstendenz abzufangen. Zentrale Herausforderung ist der Zugang zu öffentlichen Daten, die zur Analyse hinzugezogen werden können. Versteckte Innovationen, über die noch keine Daten öffentlich vorliegen, lassen sich daher nicht erkennen.

Ein weiterer zentraler Mehrwert von Advanced Analytics ist es Entscheidungen herauszufordern und zu benchmarken. Es ist unbestritten, dass strategische Entscheidungen ressourcen- und kapitalintensiv sind. Basieren diese zu stark auf der internen Perspektive des Unternehmens bzw. sogar einzelner Mitarbeiter, besteht die Tendenz, dass Aufwendungen, Kosten und Projektlaufzeiten unterschätzt werden. Advanced Analytics kann die Entscheidungsfindung dahingehend unterstützen, dass der Markt nach ähnlichen Vorhaben und deren Ergebnissen analysiert wird. Durch derartige Datenanalysen können Wahrscheinlichkeiten von Erfolg und Misserfolg geliefert werden, bevor Kapital und Ressourcen eingesetzt werden. So kann beispielsweise die Analyse von M&A Transaktionen innerhalb einer Branche helfen zu verstehen, ob die anvisierten Profitabilitätsziele tatsächlich mit diesem Vorhaben erreichbar sind oder Anpassungen der Strategie erforderlich sind. Herausforderung ist, dass ähnliche Entscheidungsfälle und deren Ergebnisse in der Vergangenheit existierten und deren Informationen abrufbar sind.

Neben der Entscheidungsunterstützung können mithilfe von Advanced Analytics komplexe Zusammenhänge und Entwicklungen besser verstanden werden. Die Marktdynamik ist vielschichtig und durch eine Vielzahl von Variablen geprägt, die Akteure und deren Entscheidungen repräsentieren. Das menschliche Verständnis kann diese nicht alle erfassen. Mathematische Modelle und Simulationen können ein Abbild der Realität schaffen und helfen die Auswirkungen strategischer Entscheidungen anschaulicher zu machen. Wie werden beispielsweise Wettbewerber und Kunden bei der Reduktion von Produktpreisen reagieren und wie wird sich das Verhalten von Kunden verändert, könnten Anwendungsbeispiele sein. Dabei werden den Akteuren Regelsätze zugewiesen, die deren Entscheidungsmuster repräsentieren. Simulationsmodelle, Machine-Learning-Ansätze und Systemdynamik sind angewandte Advanced Analytics Werkzeuge. Die Schwierigkeit besteht dabei, die für das Modell einzubindenden Variablen zu finden und deren Entscheidungsmuster zu identifizieren, um das Modell so real wie möglich zu gestalten.

Zuletzt sei noch auf das Thema Überzeugung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit tiefgründiger Datenanalyse hingewiesen. Menschen für eine Idee oder neue strategische Ausrichtung zu überzeugen und zu begeistern ist eine Herausforderung – besonders wenn es um innovative Themen und starke Veränderungen im Umfeld der Personen geht. Eine solide Datengrundlage kann dabei helfen, Menschen zu überzeugen, da die Entscheidung auf einer Kette valider Argumente mit Szenarien, mehreren Perspektiven und gut durchdachter Annahmen basiert. Bauchgefühl, Intuition und unbegründete Meinungsbildung verlieren an Bedeutung, wodurch Entscheidungen zu besseren Ergebnissen führen. Trotz der Attraktivität von Daten, darf der Mensch nicht im Entscheidungsprozesse vergessen werden.

Abbildung 1: Mehrwerte von Advanced Analytics auf Strategieebene

Erfolgsfaktoren für Advanced Analytics auf Strategieebene

Die Mehrwerte machen deutlich, warum Advanced Analytics auf Strategieebene Anwendung finden sollte. Zu beachten sind dabei einige Erfolgsfaktoren, die für nachhaltig positive Resultate sorgen und nachfolgend vorgestellt werden.

Advanced Analytics hat enormes Wertschöpfungspotenzial und kann deutlich bessere Lösungen für Geschäftsprobleme identifizieren als ohne Anwendung. Viele Führungskräfte sind sich des Potenzials gar nicht bewusst und finden keine konkreten Anwendungsfälle innerhalb ihrer Geschäftsbereiche und Funktionen. Es mangelt an einem unternehmensweiten Überblick über die Möglichkeiten sowie falsche Kommunikation an alle Mitarbeiter. Das Management muss daher ein Bewusstsein schaffen und eine Daten- und Analysestrategie beschließen. Hilfreich ist auch, Pilotprojekte zu starten in Bereichen mit dem größten Potenzial und daraus weitere Projekte zu initiieren.

Die Menge an Daten und damit verbunden auch die möglichen Datenquellen wachsen rasant. Häufig besteht eine Überforderung, welche Daten erforderlich sind und welche Quellen genutzt werden sollen. Abhilfe kann dabei das Denken in Form von Use Cases helfen. An konkreten Anwendungsfällen wird erarbeitet was für Daten gebraucht werden, um dann gezielt auf die Suche nach Quellen zu gehen. Zu empfehlen ist auch die Etablierung einer Data Governance und Prozessen im Umgang mit Daten. Ziel ist es ein hohes Qualitätsniveau sicherzustellen und Zugriffsrechte für spezifische Personengruppen zu gewährleisten.

Viele Unternehmen zögern, das Potenzial von Advanced Analytics voll auszuschöpfen und für Entscheidungszwecke einzusetzen. Es besteht auch die Furcht vor Fehlschlägen bei der Anwendung in Unternehmen. Ganz im Gegenteil hierzu sind viele Start-ups, die stark datengetrieben sind und bei denen eine aktive Test- und Lernkultur besteht. Fehler sind Lernquellen, die zu Verbesserungen führen. Eine derartige Kultur muss ebenfalls in Unternehmen geschaffen werden. Daten müssen integraler Bestandteil der Arbeit werden. Daher sollte die Schaffung einer datengetriebenen Test- und Lernkultur, die Schulung der Mitarbeiter und die Bereitstellung der richtigen Tools und Technologien auf der Agenda stehen.

Data Scientists sind derzeit sehr gefragt, daher ist eine ausgeklügelte Einstellungsstrategie entscheidend, um diese Talente anzuziehen und langfristig zu binden. Neben dieser Personengruppe sind auch Business Experten mit Analytics-Kenntnissen wichtig, die Anwendungsfälle für Advanced Analytics identifizieren, Probleme formulieren und die Ergebnisse in Unternehmen nutzbar machen können. Sie agieren als „Datenübersetzer“ in der Schnittstelle der Data Scientists und der Business Units.

Sind diese vier Erfolgsfaktoren gesichert, kann Advanced Analytics im Unternehmen gewinnbringend eingesetzt werden – mit einer hohen Akzeptanz aller Mitarbeitenden des Unternehmens.

Abbildung 2: Erfolgsfaktoren für Advanced Analytics auf Strategieebene

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Market Intelligence Big Data und Analyse

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Das Bedürfnis von Herstellern Kunden besser zu verstehen, ist ein wesentlicher Treiber eine direkte Verbindung zum Kunden aufzubauen. Die Corona-Pandemie hat durch die temporäre Schließung des stationären Handels den „Direct-to-Consumer“ Trend verstärkt. Nicht nur Start-ups positionieren sich teils ausschließlich als „Direct-to-Consumer“-Marke, sondern auch etablierte Markenhersteller akquirieren oder bauen „Direct-to-Consumer“-Marken auf. Das Sammeln wertvoller Kundeninformationen ist ein zentraler Mehrwert eines „Direct-to-Consumer“-Ansatzes, aber zahlreiche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um erfolgreich und nachhaltig „Direct-to-Consumer“ zu betreiben. Von besonderer Bedeutung ist der Wandel der Organisation, sich vollkommen auf den Endverbraucher auszurichten.

Das Aufleben des Direct-to-Consumer Trends

Durch die Corona-Pandemie und damit einhergehende angeordnete Geschäftsschließungen im Lockdown mussten zahlreiche Hersteller ihre Vertriebsstrategie von einem auf den anderen Tag anpassen und Wege suchen, Kunden direkt zu erreichen. Für einige aus der Not entstanden, haben andere schon vor Corona-Zeiten den Trend direkt an Kunden zu verkaufen. Die Umsetzung von „Direct-to-Consumer“ kann vielfältig gestaltet werden. Hersteller können Produkte auf Online-Marktplätzen wie Amazon oder eBay listen, einen eigenen Online-Shop betreiben oder im Rahmen von Social Commerce Produkte auf Social-Media Plattformen platzieren. Während viele Hersteller mit „Direct-to-Consumer“ Neuland betreten und sich durch die direkte Verbindung zum Kunden neue Erkenntnisse über Kundenbedürfnisse erhoffen, fokussieren sich viele Start-ups häufig nur noch auf „Direct-to-Consumer“ und können ein beachtliches Wachstum vorweisen.

So neuartig Direct-to-Consumer klingt, findet es sich doch schon seit Jahrzehnten als etabliertes Vertriebsmodell. Das Geschäftsmodell von Marken wie Vorwerk und Tupperware basiert vollständig auf reinem Direktvertrieb. Neu ist hingegen, dass der E-Commerce-Vertriebskanal im Vordergrund steht und eine Verlagerung von Offline-Werbetreibenden zu Social-Media Influencern erfolgt. Die Marken Peloton, Tesla, Mermaid + Me oder everdrop sind nur als einige Beispiele zu sehen, die ihren Vertrieb ausschließlich online abwickeln und eine direkte Verbindung zum Kunden aufgebaut haben. In den letzten Jahren hat „Direct-to-Consumer“ an Beliebtheit im E-Commerce gewonnen und wird dort immer populärer.

Abbildung 1: Zur Geschichte und Zeitlosigkeit von „Direct-to-Consumer“-Marken

Mehrwerte und Voraussetzungen

Unabhängig davon ob Hersteller durch die Implikationen der Corona-Pandemie in den Direktvertrieb gedrängt wurden oder bereits davor mit ihren Kunden direkt verbunden waren, erhoffen sich alle „Direct-to-Consumer“ Anwender zahlreiche Mehrwerte.

Eine direkte Kundenbeziehung ermöglicht das Sammeln von Informationen und schafft damit ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden. Hersteller können nun direktes Feedback einholen und Produkte genauer an Verbrauchervorstellungen anpassen. Kostspielige Marktstudien und die Durchführung von langwierigen Umfragen entfallen damit. Zahlreiche Hersteller bieten sogar Personalisierungsmöglichkeiten an. Mittels in Online-Shops integrierten Konfiguratoren personalisieren Kunden ihr Produkt und erhalten diese direkt nach Hause geschickt. Andere Hersteller gehen sogar noch einen Schritt weiter und lassen Kunden an der gesamten Produktentwicklung mitwirken. Je mehr Kunden sich mit ihrem Wissen beteiligen, umso risikoloser wird die Markteinführung, da der Produkt-Market-Fit bereits im Vorfeld gesichert ist.

Hersteller gewinnen mittels „Direct-to-Consumer“ die Kontrolle über ihren Markenauftritt und die Festlegung von Preisen, da kein Distributor mehr zwischengeschaltet ist. Auch höhere Margen sind ein positiver Effekt, die sonst von Distributoren vereinnahmt werden. Doch sollte beachtet werden, dass Hersteller nun für die Produktvermarktung hauptverantwortlich sind. Der Betrieb eines eigenen Online-Shops bedingt hohe Investitionen in Performance Marketing, um ein hohes Besucheraufkommen zu erreichen und möglichst viele Interessenten zu Kunden zu konvertieren. „Direct-to-Consumer“ ermöglicht Herstellern auch, ein deutlich breiteres Produktsortiment anzubieten, was durch Limitierungen im Handel nur schwer umsetzbar ist. Während der Aufbau eines stationären Vertriebs- und Partnersystems in neuen Märkten mit hohen Investitionen verbunden ist, vereinfacht der Direktvertrieb mittels Online-Shop oder Online-Marktplatz die Expansion in neue Märkte erheblich. Im Kern hilft eine „Direct-to-Consumer“-Strategie dabei, den Kunden wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und dessen Bedürfnisse zu verstehen!

So interessant die Mehrwerte für Hersteller klingen, bedingen sie doch teils gravierende Änderungen und viele Hersteller betreten ungewohntes Terrain. Für Unternehmen mit bestehenden Vertriebskanälen und -partnern kann es zu Kanalkonflikten mit ebendiesen kommen, da diese Umsatzverluste befürchten. Haben sich bisher Distributoren um Logistik und Produktpräsentation gekümmert, nimmt nun der Verantwortungsbereich der Hersteller zu. Der Markenauftritt auf Online-Marktplätzen und im Webshop ist zu gestalten und zu pflegen, die gesamte Customer Journey muss konzipiert und umgesetzt werden bis hin zum Aufbau eines After Sales Service. Eine besonders wichtige Komponente ist der Umgang mit den gewonnenen Daten. Diese müssen analysiert und genutzt werden – digitale Talente und neue Systeme sind häufig erforderlich. Auch die Logistik ist betroffen, denn diese muss in der Lage sein Einzellieferungen und Retouren an Endverbraucher abzuwickeln – alternativ sind externe Dienstleister einzubinden.

Viele „Direct-to-Consumer“-Marken zeichnen sich durch sehr schnelle Produktentwicklungsphasen und einen schnellen Go-To-Market aus. Intern müssen daher die Voraussetzungen für eine ebenso dynamische Arbeitskultur geschaffen werden. Daher gilt es auch abzuwägen ob eine „Direct-to-Consumer“-Marke innerhalb der existierenden Organisation aufgebaut oder doch lieber eine getrennte Organisation dafür geschaffen werden sollte.

Abbildung 2: Voraussetzungen für die Etablierung einer „Direct-to-Consumer“-Strategie

Die ersten Schritte in Richtung „Direct-to-Consumer“

Um nun „Direct-to-Consumer“ erfolgreich und nachhaltig anzugehen, sollten sich Hersteller an den nachfolgenden Schritten und zugehörigen Fragestellungen orientieren:

  1. Marktpotenzial- & Trendanalyse: Wie groß ist das Umsatzpotenzial der zu etablierenden Marke und der Produkte? Welche Trends und welcher Zeitgeist bestehen, sodass die Marke und die Produkte darauf ausgerichtet werden können?
  2. Umfeldanalyse & USP-Definition: Welche Wettbewerber sind aktiv und wie sind diese im E-Commerce positioniert? Durch was zeichnen sich die Wettbewerber aus und über welche Alleinstellungsmerkmale verfügen die eigene Marke bzw. die eigenen Produkte?
  3. Definition einer Technologielandschaft: Welche IT-Systeme sind erforderlich für die erfolgreiche Umsetzung einer „Direct-to-Consumer“-Strategie und welche Komponenten bestehen bereits, um Synergien zu schaffen?
  4. Entwicklung einer Marketingstrategie: Welche Online-Marketing-Kanäle sollten ausgewählt werden, um den höchstmöglichen Return-on-Investment zu erzielen?
  5. Entwicklung einer Logistik-Strategie: Welche Logistik-Optionen kommen in Betracht und welche sollte gewählt werden, um auf die speziellen Anforderungen von „Direct-to-Consumer“ einzugehen und Kunden optimal versorgen zu können?
  6. Organisation & Governance-Design: Wie sollten Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb der eigenen Organisation verteilt und geschaffen werden, um effizient und effektiv zu arbeiten?
  7. Businessplan: Welcher Nutzen und welche Kosten sind mit dem Aufbau einer „Direct-to-Consumer“-Marke verbunden und ist es profitabel?

Abbildung 3: „Direct-to-Consumer“ Strategie-Framework

Gerne unterstützen wir Sie beim Aufbau Ihrer „Direct-to-Consumer“-Strategie. Für weitere Informationen rund um die Themen E-Commerce, Digitalisierung und Transformation stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Seite.

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Direct-to-Consumer Strategie E-Commerce Strategie

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Management Summary

  • Status Quo: Das Private Equity Transaktionsvolumen ist im ersten Halbjahr in Europa auf Rekordniveau – kein Abflauen wird erwartet
  • Private Equity Häuser stehen bei der Auswahl der Berater vor der Frage nach dem Fokus auf Kosten oder Qualität der Berater
  • Kostengünstige Berater können gegebenenfalls Stärken und Schwächen nicht so gut identifizieren, da standardisiert gearbeitet wird – qualitativ bessere Berater sind teurer, aber arbeiten dafür individueller und verfügen über mehr Branchenkenntnisse
  • Unternehmen aus der Digitalwirtschaft verfolgen meist ein anderes Geschäftsmodell als klassische Industrieunternehmen, zudem ändert sich der Markt konstant, daher sollten folgende Aspekte für die qualitative Arbeit beachtet werden:
    • Tiefes Verständnis der Digitalwirtschaft
    • Strategischer Weitblick hinsichtlich E-Commerce und Digitalisierung
    • Starke Vernetzung in der Digitalwirtschaft
    • Unternehmerische Denkweise
  • Private Equity Häuser sollten auf die Qualität der Berater achten, da sonst Stärken und Schwächen der zu akquirierenden Unternehmen mitunter falsch eingeschätzt werden und fehlerhafte Prognosen abgeleitet werden

1. Status Quo: Private Equity Aktivität in Europa auf Rekordniveau

Der Private Equity Markt in Europa erlebt aktuell einen massiven Aufschwung an Transaktionsvolumen. Dem Research-Institut Refinitiv zufolge, erzielte der europäische Private-Equity Markt im ersten Halbjahr 2021 ein Transaktionsvolumen von 155,8 Mrd. Dollar. Damit liegt das Volumen so hoch wie nie zuvor. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 stieg das Volumen damit um fast 100 Mrd. Dollar an. Ebenso stieg die Zahl der Transaktionen um über 50% von 991 auf 1.585 Transaktionen.

Ein Abflauen der Aktivität ist nicht zu erwarten, da in Zeiten geringer Zinsen und geringer Anleiherenditen weiter Kapital von Private Equity Häusern eingesammelt und investiert wird. Das eingesammelte Kapital erhöht weiter den Druck auf die Investoren, Deals zu schließen, um das vorhandene Kapital zu nutzen und Renditen zu erwirtschaften.

Auch in der Digitalwirtschaft in Europa werden eifrig Deals geschlossen. Zu den aktuellen Finanzierungen und Beteiligungen gehören unter anderem folgende:

  • Kreditplattform Younited erhält 170 Mio. Dollar von Goldman Sachs und Bridgepoint
  • KI-Unternehmen Tractable erhält 60 Mio. Dollar von Insight Partners und Georgian
  • KI-Unternehmen AskBrian schließt Finanzierung unter Führung von FOSTEC Ventures

 

 

 

 

 

2. Commercial Due Diligence – Ein schmaler Grat zwischen Effizienz und Qualität

Der Grat bei einer Due Diligence für Targets aus der Digitalwirtschaft zwischen Effizienz und Qualität ist schmal und falsche Prioritätensetzung kann für Private Equity Investoren teuer werden. Zu Beginn eines M&A-Prozesses sind die Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer sehr groß und eine gute Commercial Due Diligence kann diese Asymmetrien verringern bzw. dem Käufer in gewissen Teilen sogar einen Wissensvorsprung verschaffen.

Die Vorteile einer Standardisierung der Commercial Due Diligence liegen auf den ersten Blick auf der Hand – es können kostengünstig und schnell Ergebnisse erzielt werden. Die Inhalte und Analysen sind vordefiniert und können auf alle Unternehmen angewandt werden. Zudem können die Auswertungen von junioren Beratern ohne spezifische Branchenkenntnisse erledigt werden. Auf den zweiten Blick zeigt sich das Dilemma der Situation, da zum einen das Geschäftsmodell von Unternehmen aus der Digitalwirtschaft sich meist stark von klassischen Industrieunternehmen unterscheidet und die Branche an sich einem starken und stetigen Wandel unterliegt. Standardisierte Verfahren können diesen Spezifika meist nicht gerecht werden und die Gefahr besteht, dass Prioritäten falsch gesetzt werden und wichtige Erkenntnisse nicht aufgedeckt werden können.

Bei den Branchenspezifika sind vor allem die Themen Operations und Vertrieb zu nennen. Zum einen liegt der Schwerpunkt der Value Chain Aktivitäten bei klassischen Industrie-Unternehmen meist woanders als bei Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce und Digitalisierung. Im Normalfall liegt ein starker Fokus bei klassischen Industrieunternehmen im Bereich der Operations, d.h. die Produktion der Produkte sowie die damit zusammenhängende Logistik. Da Produktion und Logistik bei klassischen Industrieunternehmen einen großen Anteil an den Kosten haben, bringen kleine Verbesserungen bereits einen großen Effekt.

Bei Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce und Digitalisierung sind oftmals viele Bereiche der Operations ausgelagert an Dienstleister. Die Gründe dafür liegen vor allem in der Dynamik der Branche als auch der besseren Skalierbarkeit des Geschäftsmodells. Durch die Nutzung spezialisierter Dienstleister kann auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden und der Operations-Teil des Unternehmens muss nicht selbst aufgebaut werden. Des Weiteren kommt hinzu, dass Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce und Digitalisierung oftmals keine physischen, sondern digitale Produkte verkaufen, bei denen keine klassische Operations nötig sind.

Letztendlich bedeutet das nicht, dass für Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce und Digitalisierung das Thema Operations nicht wichtig ist. Im Gegenteil erfordert das E-Commerce Business aufgrund hoher Kundenanforderungen an Service und Lieferbarkeit meist sogar bessere Operations als bei klassischen Industrieunternehmen. Der Fokus der Unternehmen liegt dabei jedoch nicht auf den eigenen Operations, sondern vielmehr auf der Zusammenarbeit mit Dienstleistern sowie den dabei eingesetzten IT-Systemen. Das heißt, den Fähigkeiten der Mitarbeiter als auch den eingesetzten IT-Systemen kommt eine viel höhere Bedeutung zu.

Neben dem Beispiel der Operations sind meist auch die Vertriebsaktivitäten anders gestaltet als bei klassischen Industrieunternehmen. Durch dem Online-Vertrieb werden klassische Vertriebswege wie Retail-Stores ersetzt durch Online-Marktplätze oder eigene Webshops. Auch hier bedeutet es nicht, dass der Vertrieb für Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce und Digitalisierung an Bedeutung verliert, sondern dass sich der Fokus verschiebt. Zum einen gewinnt der Bereich Direct-to-Consumer (D2C) mehr und mehr an Bedeutung und zum anderen verändern sich die Key Performance Indicators (KPIs), welche für den Vertrieb relevant sind. Die Analyse des erzielten Traffics auf den Online-Marktplätzen und eigenen Webshops sowie Themen wie Conversion Rate, Advertising Cost of Sales oder Traffic-Quellen gewinnen massiv an Bedeutung. Durch vermehrte direkte und messbare Kundeninteraktion können Marketing- und Sales-Aktivitäten zudem genauer analysiert und bewertet werden.

 

3. Handlungsempfehlung – Keine Kompromisse bei der Qualität einer Commercial Due Diligence

Eine standardisierte und damit effiziente Durchführung einer Commercial Due Diligence birgt die großeGefahr, dass wichtige Stärken und Schwächen eines Unternehmens nicht erkannt werden. Der vorherige Abschnitt hat gezeigt, dass für Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce und Digitalisierung oftmals andere Themen im Vordergrund stehen sollten als bei klassischen Industrieunternehmen. Durch die hohe Dynamik und ständige Veränderung der Marktstrukturen in dieser Branche, können standardisierte Ansätze oftmals nicht alle Feinheiten der Unternehmen aufdecken und bewerten.

Das bedeutet zum einen, dass standardisierte Verfahren bei einer Commercial Due Diligence fehl am Platz sind. Jedes Unternehmen unterscheidet sich bzgl. des Aufbaus und des Fokus des Geschäftsmodells und der Value Chain. Standardisierte Vorgehen werden dieser Individualität nicht gerecht und laufen Gefahr, dass wichtige Aspekte eines Unternehmens unzureichend oder nicht analysiert werden.

Abbildung 1: Erfolgsfaktoren einer Commercial Due Diligence in der Digitalwirtschaft

 

Auf der anderen Seite lassen sich daraus auch folgende Anforderungen an einen Commercial Due Diligence Berater für Targets aus der Digitalwirtschaft ableiten (siehe auch Abbildung 1)

  • Tiefes Verständnis der Digitalwirtschaft:

Um Unternehmen detailliert bewerten zu können und Stärken sowie Schwächen zu identifizieren, ist ein tiefes Verständnis der Digitalwirtschaft notwendig. Zum einen können typische Probleme der Unternehmen besser identifiziert und Fokusthemen detaillierter bewertet und untersucht werden. Zum anderen können auch Stärken und Optimierungspotenziale der Unternehmen besser eingeschätzt und somit das Upside-Potenzial nach dem Kauf optimiert werden. Dadurch können insgesamt die zu Beginn bestehenden Informationsasymmetrien verringert oder in manchen Bereichen sogar zum Vorteil des Investors verschoben werden.

 

  • Strategischer Weitblick bzgl. E-Commerce und Digitalisierung:

Neben der genaueren Prüfung des Unternehmens können auch zukünftige Marktentwicklungen besser eingeschätzt werden. Zukunftsträchtige Marktbereiche lassen sich leichter identifizieren bzw. negative Entwicklungen des eigenen Marktbereichs vorhersehen. Dadurch lässt sich das gesamte externe Ökosystem des Unternehmens deutlich besser bewerten. Empfehlungen für die zukünftige Strategieentwicklung oder notwendige Transformation aufgrund von Marktveränderungen lassen sich frühzeitig erkennen, um rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.

 

  • Starke Vernetzung in der Digitalwirtschaft

Eine starke Vernetzung der Berater in der Digitalwirtschaft hat den bedeutenden Vorteil, dass bei Bedarf externe Experten für die Commercial Due Diligence hinzugezogen werden können. Dadurch kann die Expertise im Team weiter erhöht werden und durch Experteninterviews lassen sich Einschätzungen und Erkenntnisse weiter validieren oder verwerfen.

 

  • Unternehmerische Denkweise

Um dem rein analytischen Teil einer Commercial Due Diligence weitere Erfahrungswerte hinzuzufügen ist ein unternehmerischer Hintergrund der Berater sinnvoll. Vorherige Tätigkeiten als selbständiger Unternehmer oder auch Tätigkeiten in einem Unternehmen der Digitalwirtschaft sind enorm hilfreich, um Unternehmen und deren Organisation und Prozesse besser einschätzen zu können. Zudem kennen diese Berater den Alltag in Unternehmen und können besser evaluieren, welche Ambitionen und Veränderungen realistisch sind. Diese Erfahrungswerte helfen demzufolge insgesamt, um bessere Einschätzungen bzgl. der Entwicklung und Zukunftsprognose von Unternehmen zu treffen und dem potenziellen Target auf Augenhöhe zu begegnen.

 

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Aktivität im Private Equity Markt ist aktuell auf einem Allzeithoch in Europa und ein Rückgang ist durch das billige Geld und dem Mangel an Alternativen nicht zu erwarten. Das erhöht den Bedarf der Private Equity Häuser an Due Diligence Services und stellt diese vor die Frage, welche Art von Beratern gewählt werden sollte.

Sollte eine Beratung gewählt werden, welche sich durch Standardisierung und günstige Kosten auszeichnet oder eine Beratung, welche auf einen stark individuellen und qualitativ hochwertigen Ansatz bei höheren Kosten setzt?

Kostengünstige Beratungen können dabei aufgrund der Standardisierung und fehlender Branchenkenntnisse meist nicht die gleiche Qualität und Granularität in den Analysen und Bewertungen erzielen wie Beratungen mit hohen Branchenkenntnissen. Dadurch entsteht die Gefahr, dass wichtige Stärken und Schwächen der Unternehmen nicht erkannt und falsche Prognosen abgeleitet werden. Bei der Auswahl der Berater ist dabei vor allem auf ein tiefes Verständnis der Digitalwirtschaft, ein strategischer Weitblick bzgl. E-Commerce und Digitalisierung, eine starke Vernetzung der Berater in der Digitalwirtschaft sowie eine unternehmerische Denkweise zu achten. Am besten erkennt man diese Fähigkeiten durch die Profile der Berater im Angebot, der Aktualität des Contents der Unternehmen auf der eignen Website sowie Social Media Plattformen wie LinkedIn oder auch der Präsenz der Berater in einschlägigen Medien sowie deren Veröffentlichungen.

Wir freuen uns auf Ihre Meinung, einen gemeinsamen Austausch und spannende Diskussionen – melden Sie sich gerne per E-Mail, LinkedIn oder auch telefonisch bei uns.

Für weitere Empfehlungen und dedizierten Strategien rund um die Themen E-Commerce, Due Diligence und Transformation stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Seite.

Ihr FOSTEC & Company-Team

 

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

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Management Summary

  • Trotz kontinuierlich steigender Umsätze im deutschen Spielwarenhandel (seit 2012 beträgt der jährliche Zuwachs etwa 5%), ist der Spielwareneinzelhandel heute mehr denn je vom Aussterben bedroht. Dies wurde ebenso verstärkt durch die Corona bedingten Ladenschließungen. Gleichzeitig gewinnt der Onlinehandel immer mehr an Bedeutung.
  • Das Online-Geschäft dominiert – allen voran und mit klarem Vorsprung Amazon. So kauften 2020 bereits 87% der Konsumenten bei Amazon. Es folgen myToys und eBay – bei denen immerhin ca. 45% der Konsumenten angeben häufiger Spielwaren einzukaufen.
  • Hersteller müssen sich veränderten Gegebenheiten anpassen und einerseits ihre Marke auf online Handelsplattformen wie Amazon etablieren, andererseits aber den direkten Vertrieb aktiv angehen – über einen eigenen Webshop oder aber über eine eigene digitale Plattform, die den Kunden über das reine Shoppingerlebnis hinaus Interaktionsmöglichkeiten mit der Marke bietet, sie so langfristig bindet und zusätzliche Wertgenerierungsoptionen für den Markenhersteller schafft.
  • Eines der bekanntesten und, mit einem Absatz von mehr als zwei Millionen Tonieboxen (Musikboxen) und über 20 Millionen Tonies (Hörfiguren) seit der Produkteinführung im Jahr 2016, sicherlich eines der erfolgreichsten Beispiele stellt dabei der Hörfigurenhersteller Boxine dar.

1. Status quo: Spielwarenmarkt in Deutschland

Glänzende Kinderaugen, die auf eine Puppe im Schaufenster eines Spielwarengeschäfts starren, quengeliges Bitten, sogar Flehen, die Eltern mögen einem nun doch bitte das langersehnte und wohlverdiente Spielzeug kaufen. Wer kennt diese Situation nicht – aus den Erinnerungen an die eigene Kindheit oder aus wiederkehrenden Beobachtungen beim Stadtbummel – ein jeder unter uns hat schon einmal eine solche Situation miterleben dürfen.

Doch werden die Spielwareneinzelhändler in Deutschland immer weniger. Zwischen 2015 und 2020 hat bereits jeder Vierte sein Geschäft an den Nagel gehängt – oder hängen müssen. Die Corona-Pandemie hat diesem Trend mit Sicherheit nicht positiv entgegenwirken können. Ganz im Gegenteil. Die Situation hat sich eher verschlechtert. Schließung der Läden, unzureichende Unterstützung durch den Staat und zuletzt sogar die bundesweite Notbremse.

Indes profitierten die Onlinehändler umso mehr von der Schließung des stationären Handels. Die allgemeine Nachfrage nach Spielwaren steigt. Auch im Zuge der Corona-Pandemie erfreuten sich Gesellschaftsspiele, allen voran das Puzzle, größter Beliebtheit und gewannen dank Ausfall von Kinobesuchen, Grillpartys und Co. Einzug in die Abend- und Wochenendgestaltung. Auch das Interesse an Baukästen, wie beispielsweise von LEGO, stieg.

Gerade für Technik-Freaks und Freizeitbastler stellen sie eine willkommene Herausforderung dar, mit der sich die persönliche Freizeit gut verbringen lässt. Dank mangelnder Freizeitalternativen im vergangenen und auch diesem Jahr dürfte diese nicht zu knapp ausgefallen sein und hat sich dabei bei den meisten sehr wahrscheinlich in vermehrtem Maße zuhause abgespielt.

Insgesamt stieg der Umsatz mit Spielen und Spielwaren in Deutschland von 2012 bis 2020 jährlich im Durchschnitt um fünf Prozent (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Umsatz mit Spielen und Spielwaren in Deutschland

Auffallend ist dabei die Verlagerung der Kauforte – vom stationären Handel hin zum Online-Handel, wie auch vom Fachhandel zu Verbrauchermärkten wie GALERIA Karstadt Kaufhof und Lebensmittel-Discountern (siehe Abbildung 2). Mit einem Einbruch von acht Prozent innerhalb eines Jahres (von 2019 auf 2020) im stationären Handel und einer klaren Verlagerung zum Onlinehandel (Internet) werden damit die Gründe für das schrittweise Aussterben des Spielwareneinzelhandels deutlich.

Abbildung 2: Verteilung der Kauforte für Spielwaren in Deutschland

2. Konsumentenverhalten im deutschen Spielwarenmarkt

Schaut man sich die Einkaufsorte für Spielwaren in Deutschland im Detail an, so fällt auf, dass vor allem online eine große Kluft zwischen den einzelnen Händlern besteht. Amazon ist mit knappen 90% klarer Spitzenreiter, mit großem Abstand folgen myToys und eBay, weit dahinter otto.de, lidl.de und weitere (siehe Abbildung 3). Gerade die großen Online-Marktplätze platzieren sich hier in den vorderen Rängen und spielen eine übergeordnete Rolle. Die kleineren Online-Geschäfte sehen sich somit einem enormen Wettbewerb gegenüber – die großen Spieler weisen tiefgreifende Erfahrungen, weitreichendes E-Commerce-Know-how sowie hohe digitale Visibilitäts-Kennzahlen auf. Stellt man dem die stationären Spielwaren-Einzelhandelsgeschäfte gegenüber, die keiner größeren Kette angehören, sind deutliche Parallelen zum Kampf David gegen Goliath zu erkennen.

Abbildung 3: Online und offline Einkaufsorte für Spielzeuge

Geht man im Konsumentenverhalten noch einen Schritt weiter zurück und betrachtet die Inspirations- und Informationsquellen, lassen sich diese schwerlich mit denen anderer Branchen vergleichen. So spielt im Spielwarenhandel die Mund-zu-Mund-Propaganda zwischen den Endnutzern, nämlich den Kindern selbst, eine zentrale Rolle (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Inspirations- und Informationsquellen für den Kauf von neuen Spielzeugen

Insgesamt findet der Handel für Spielwaren heute zunehmend online statt – die Endkonsumenten, sprich die Kinder, wirken stark auf die Produktauswahl ein, über den Ort des Kaufes wird aber von den Käufern entschieden. Kleine, stationäre Einzelhändler mit einer oder nur wenigen Filialen sehen sich stationären Ketten wie Verbrauchermärkten, Drogerien und Lebensmittelmärkten, die oftmals zusätzlich aktive Online-Händler sind, aber auch den reinen Online-Giganten gegenüber.

3. Handlungsempfehlungen für Spielwarenhersteller

Der Online-Handel bietet eine erhöhte Transparenz und Vergleichbarkeit, niedrige Preise sowie eine schnelle und bequeme Lieferung nach Hause. Um sich im Spielwarengeschäft langfristig über Wasser halten zu können, ist der Einstieg in das Online-Geschäft unabdingbar. Doch wie kann dieser gerade für kleinere Online-Händler aussehen? Hierfür gibt es verschiedene Handlungsmöglichkeiten, die sich keinesfalls gegenseitig ausschließen, sondern auch oder vielmehr gerade in paralleler Anwendung die größten Potentiale bieten.

a) Online Marktplatz-Strategie
In Anbetracht der vorherrschenden Marktstellung des Online-Giganten Amazon im Spielwarengeschäft (siehe Abbildung 3) ist natürlich der Verkauf auf Online-Marktplätzen eine vielversprechende Option, um ins Online-Geschäft einzusteigen. Neben Amazon stehen hier auch eBay, real und OTTO und myToys additiv zur Auswahl – um nur die die größten Marktplatz-Spieler Player im deutschen Online-Spielwarengeschäft zu nennen. Hier kann man von der digitalen Visibilität der Marktplätze, ihrer Reichweite und den gut ausgestalteten Online-Shopping-Funktionen profitieren. Doch sind die Kosten und Auflagen nicht zu unterschätzen. So ist auch hier ein gewisses Maß an Expertise und Erfahrung unerlässlich.Die konkreten Maßnahmen, die wir im Rahmen einer Marktplatz-Strategie vorschlagen, sowie weitere Empfehlungen und Hintergründe zu Amazon und weiteren relevanten digitalen Marktplätzen, können Sie gerne hier im Detail nachlesen:

Online Marktplatz-Strategie

b) Third Party eRetailer-Strategie
Um sich nicht von wenigen großen Marktplätzen und insbesondere Amazon abhängig zu machen und möglichst umfänglich Potentiale auszuschöpfen, empfehlen wir über zusätzliche Online-Spieler ein entsprechendes Gegenwicht aufzubauen. Im Spielwarengeschäft eigenen sich dafür beispielsweise Händler wie Jako-O, DM oder Rossmann.
Kriterien für die Auswahl passender Third Party eRetailer und die optimale Vorgehensweise für das Onboarding haben wir für Sie auf unserer Website näher erläutert:

Third Party eRetailer-Strategie

c) Direct-to-Consumer (D2C)-Strategie
Neben dem Einstieg in das Online-Geschäft über bereits bestehende Plattformen ist auch der Aufbau eines eigenen Web-Shops denkbar. Es ermöglicht dem Kunden die eigene Marke bestmöglich durch eine exklusive Brand Experience näher zu bringen und ihn so direkt für sich zu gewinnen, ohne dabei neben ablenkenden Werbeanzeigen und Bannern andere Hersteller bestehen zu müssen oder begrenzte Darstellungsmöglichkeiten in Kauf nehmen zu müssen. Andererseits erfordert der Aufbau eines eigenen D2C-Vertriebes viel Zeit und ausgeprägtes, vielfältiges Knowhow – von der Erstellung der Website, was dank modernen E-Commerce Systemen wie Shopify, Shopware & Co. noch relativ einfach umzusetzen ist, über eine passende Online-Marketing-Strategie bis hin zu SEO-Maßnahmen und anderen Instrumenten zur Traffic-Generierung. Wer dies nicht selbst bewerkstelligen kann, muss finanzielle Mittel dafür bereitstellen – kontinuierlich – da viele Maßnahmen nicht einmalig, sondern regelmäßig durchzuführen sind. Gerade der Einkauf von Traffic ist meist sehr teuer und erfordert daher ein großzügiges Budget. Der Wettbewerb um die Sichtbarkeit ist im Online-Geschäft besonders hoch – die vorderen, sichtbaren Plätze und „Werbeflächen“, zum Beispiel bei Suchmaschinen wie Google oder auf diversen Social-Media-Kanälen, sind begrenzt, weshalb eine dedizierte Strategie sowie tiefgründiges Wissen und ausgeprägte Fähigkeiten in diesem Bereich erforderlich sind.
Doch entschließt man sich diesen Schritt zu gehen, hat man die Möglichkeit den Kunden exklusiv – wie auf keinem anderen Kanal möglich – anzusprechen, ihn von der eigenen Marke zu überzeugen und ihn schließlich langfristig für sich zu gewinnen. Zudem liefert jeder Besuch des eigenen Webshops wertvolle Daten, die ausgewertet und zur weiteren Optimierung des digitalen Einkaufserlebnisses, aber auch zur Produktoptimierung genutzt werden können.
Weitere Informationen zum Direct to Consumer (D2C)-Vertrieb sowie konkrete Handlungsschritte zum Aufbau einer direkten Verbindung zwischen Hersteller und Endkunden mit E-Commerce als Hauptvertriebskanal finden Sie hier:

Direct-to-Consumer Strategie

d) Digital Sales Center-Ansatz
Erweitert man den reinen D2C-Ansatz, also quasi den Webshop, zu einer Plattform, einem sogenannten Digital Sales Center (siehe Abbildung 5), und bietet dem Kunden darüber möglichst viel Interaktionsfläche mit der eigenen Marke, schafft man sich nicht nur ein größeres Spielfeld, sondern damit einhergehend zusätzliche Wertschöpfungsoptionen und die Möglichkeit den Kunden, aber auch Dritte wie angrenzende Produkt- und Serviceanbieter, langfristig für sich zu gewinnen.
So ist das Digital Sales Center in der Lage den Kunden entlang der gesamten Customer Journey, nicht nur bis zu seiner Kaufentscheidung, sondern eben auch über den Kauf hinaus, zu begleiten und ihn mittels verschiedener nachgelagerter Services und Angebote, wie beispielsweise eine Verlängerung der Garantie über ein Onlinekundenkonto oder den Erhalt ausgewählter, exklusiver Angebote und Inhalte wie Online-Tutorials und Wartung oder Updates over-the-air, nachhaltig an die eigene Marke zu binden.

Abbildung 5: Digital Sales Center-Ansatz von FOSTEC & Company

Einen dezidierten strategischen Ansatz zur Definition und dem Aufbau eines Digital Sales Centers finden Sie hier:

Digital Sales Center-Ansatz

Eine Digital Sales Center-Strategie erfolgreich umgesetzt hat beispielsweise der deutsche Kinderaudiosystem-Hersteller Boxine mit seiner Marke Tonies: So steht dem Kunden ein vollumfänglicher, nutzerfreundlicher und ansprechender Webshop zur Verfügung, der ebenso einen Blog und einen persönlichen Kundenbereich mit Login umfasst. Darüber hinaus bietet Boxine seine Produkte ebenso auf Amazon, myToys, Müller, Jako-O und Co an und schaffte es mit diesem Multi-Channel-Ansatz schließlich, die Marke optimal bei den Kunden zu platzieren und eine maximale Reichweite aufzubauen.
Den Erfolg dieses strategischen Ansatzes bestätigen auch Boxines Umsätze und Verkaufszahlen. So machte das Unternehmen 2017, ein Jahr nach Produkteinführung, noch 17 Millionen Euro Umsatz, konnte sich aber im Jahr 2020 auf bereits über 100 Millionen Euro steigern.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Zukunft des Spielwarenhandels ist digital – nicht ausschließlich, aber doch zunehmend. Daher sollten sich Markenhersteller schnell an die Situation adaptieren. Geeignete Maßnahmen sind zum einen die Etablierung der Marke auf Amazon, zum anderen der Zugang zum Kunden direkt – sprich über einen direkten Vertriebsweg. Gerade der D2C (Direct to Consumer)-Vertrieb mit Erweiterung zu einer Plattform ermöglicht es Herstellern die Reichweite ihrer eigenen Marke auszubauen, dabei dem Kunden ein exklusives Markenerlebnis und die Interaktion mit der Marke zu ermöglichen und so schließlich die Unabhängigkeit von großen Marktplätzen wie Amazon zu verringern.
So scheint trotz der heutigen vorherrschenden Marktstellung Amazon’s, der Kampf David gegen Goliath, nicht unbedingt aussichtslos zu sein. Doch eine Multi-Channel-Strategie inklusive Einbindung eines D2C-Ansatzes ist dabei unabdingbar. Je früher man damit beginnt, desto eher können Umsatzeinbrüche vermieden und die Reichweite der Marke gesteigert werden.
Wir freuen uns auf Ihre Meinung, einen gemeinsamen Austausch und spannende Diskussionen – melden Sie sich gerne per E-Mail, LinkedIn oder auch telefonische bei uns. Für weitere Empfehlungen und dedizierten Strategien rund um die Themen E-Commerce, Digitalisierung  und Transformation stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Seite.

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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