Immer mehr Hersteller von Konsumgütern ergreifen die Initiative, ihre Produkte Endkunden direkt anzubieten. Ein durch digitale und soziale Medien geprägtes Konsumentenverhalten hat die Entwicklung von „Direct-to-Consumer“ (D2C) stark gefördert und wurde durch die COVID-19 Pandemie sogar noch beschleunigt. Durch den kurzfristigen Wegfall von stationären Vertriebswegen aufgrund von Lockdowns mit staatlich angeordneten Geschäftsschließungen, wurden Hersteller gezwungen ihre bisherigen Distributionsstrategien umgehend zu überdenken und neue Vertriebswege mit direktem Kundenkontakt in kurzer Zeit aufzubauen.

„Direct-to-Consumer“ kann von Herstellern auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Marktplätze und Plattformen wie beispielsweise Amazon, eBay und Otto Market bieten die Möglichkeit der Produktlistung und des direkten Produktverkaufs an Endkonsumenten. Alternativ können Hersteller einen eigenen Online Shop betreiben oder mithilfe von Social Media Plattformen wie beispielsweise Instagram Produkte im Rahmen von Social Commerce ihren Followern anbieten.

Zahlreiche Start-ups, insbesondere im Konsumgüterbereich, verfolgen dabei ausschließlich einen „Direct-to-Consumer“-Ansatz und können ein beachtliches Wachstum vorweisen, wodurch sie zu attraktiven Akquisitionsobjekten werden. Wie schnell D2C-Marken wie beispielsweise Flaschenpost.de den etablierten Markenhersteller die Schnittstelle zum Kunden streitig machen können, zeigt die kürzliche Transaktion von Dr. Oetker, der den stark wachsenden Online-Getränke-Lieferanten für 1 Mrd. EUR übernimmt; zu einem Zeitpunkt, in dem dieser noch 2,5 Mio EUR pro Monat verbrennt.

Der Konsumgüterhersteller Henkel hat ebenfalls die Attraktivität von D2C-Marken erkannt und sich im letzten Jahr eine Mehrheitsbeteiligung am Berliner Unternehmen Invincible Brands Holding gesichert, zu dem die schnell wachsenden D2C-Marken aus dem Premium Beauty Segment HelloBody, Banana Beauty und Mermaid+Me gehören. Mit mehr als 1,5 Mio. aktiver Kunden will Henkel seine digitale Positionierung stärken und den direkten Kundenkontakt ausbauen. Auch der Lebensmittelkonzern Nestlé hat Ende 2020 das britische Kochboxen-Start-up Mindful Chef und das US-Fertiggerichte-Start-Up freshly akquiriert – beide reine D2C-Marken mit großer Kundenbasis.

Wie stark ausgeprägt das Thema D2C in unterschiedlichen Branchen ist, hat die Universität St. Gallen bei 340 Marken im deutschsprachigen Raum untersucht und dabei die Häufigkeit eines Online Shops bei Markenherstellern als Ausprägung für einen direkten Vertriebskanal ermittelt. Während die Integration von Online Shops am häufigsten in der Bekleidungs- und Textilindustrie sowie in der Branche Sport, Freizeitkleidung und Sportartikel anzutreffen ist, weist die Getränkeindustrie trotz der Flaschenpost.de Transaktion nur den geringsten Anteil auf.


Abbildung 1: Häufigkeit eines D2C-Online Shops nach Branchen in der DACH-Region

 

Mehrwerte von „Direct-to-Consumer“

Die Entscheidung eines Unternehmens für „Direct-to-Consumer“ bietet zahlreiche Mehrwerte. Können Markenhersteller ihre Zwischenhändler auf dem Weg zum Endkunden übergehen, steigern sie ihre Marge, die sonst von Intermediären im Vertriebsprozess abgegriffen werden würde. Durch das höhere Margenpotenzial können auch Preissenkungen in Erwägung gezogen werden, für die zuvor kein Spielraum vorhanden war.

Ein weiterer Mehrwert des Direktvertriebs über beispielsweise einen eigenen Online Shop liegt in der Steuerungshoheit der Markenrepräsentation. Markenhersteller können eigenständig über die Gestaltung von Produktinhalten entscheiden und auf diese Weise ihren Markenaufbau stärker fördern als dies bei einer indirekten Vertriebsform möglich wäre. Interaktionsmöglichkeiten von Kunden mit der Marke sind deutlich einfacher realisierbar, was die Kundenbindung und das Kundenerlebnis maßgeblich stärkt.

Die Schaffung einer direkten Kundenverbindung mit einer D2C-Strategie erweist sich hinsichtlich des Direktzugriffs auf Kundendaten als äußerst attraktiv. Während im direkten Vertrieb ein Hersteller lediglich mit Intermediären agiert und keinerlei Informationen zu den finalen Konsumenten erhält, hat der Hersteller nun direkten Zugriff auf Kundendaten und kann auf diese Weise deren Bedürfnisse besser verstehen. Diese Erkenntnisse können vielfältig genutzt werden wie beispielsweise das Angebot maßgeschneiderter Services, aber auch Anregungen von Kunden können auf diese Weise leichter aufgefangen werden, die in Produktoptimierungen und auch Produktneuentwicklungen münden. Kunden können zu Co-Entwicklern werden und die „Kunden-Community“ kann an Produktentwicklungsprozessen partizipieren. Das Personalisieren von Produkten ist eine weitere Facette, die sich als Option einer direkten Kundenbeziehung ergeben kann.

Während der Aufbau eines stationären Vertriebs- und Partnersystems in neuen Märkten mit erheblichem Aufwand verbunden ist, vereinfacht der Direktvertrieb mittels Online Shop oder Online Marktplatz die Expansion in neue Märkte erheblich. Zuletzt sei noch erwähnt, dass bei „Direct-to-Consumer“ Produkte deutlich schneller auf den Markt gelangen als auf indirektem Wege. Hersteller können in ihren eigenen Online Shops und Marktplätzen Produkte jederzeit und schnell anbieten.

 

Herausforderungen von „Direct-to-Consumer“

Die Umsetzung einer D2C-Vertriebsstrategie stellt viele Hersteller vor Herausforderungen. Produzenten mit etablierten indirekten Vertriebskanälen sehen die Gefahr von Kanalkonflikten bei Aufnahme des Direktvertriebs, da sie von ihren Vertriebspartnern als Konkurrenz wahrgenommen werden und deren Umsätze und Margen gefährden. Zusätzlich bringt die Einführung des digitalen Direktvertriebs eine Fülle an Neuerungen für das Unternehmen mit sich. Die Integration von Shopsystemen oder anderer digitaler Kanäle erhöht die Komplexität in der IT-Architektur der Hersteller. Zwar steigt die Komplexität bei der Implementierung eines eigenen Online Shops deutlich stärker an als bei der Nutzung einer Marktplatz-Infrastruktur, jedoch sollte auch hier der Aufwand nicht unterschätzt werden.

Viele Unternehmen müssen zudem die notwendige Kompetenz zur Bewältigung der mit D2C verbunden Aufgaben erst aufbauen und neue talentierte und digital-affine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen oder weiterbilden. Ebenso wichtig wie digitales Know-how im Unternehmen ist eine Veränderung der Denkweise von stationär und indirekt zu direkt und digital. Besonders betroffen ist auch die Logistik, da Kunden nun direkt beliefert werden und die Prozesse und Abläufe sich deutlich von Business-to-Business (B2B) zu Direct-to-Consumer (D2C) unterscheiden.

 

Direct Brands und ihre Relevanz für Markenhersteller

Die genannten Herausforderungen implizieren Veränderungen, vor denen etablierte Unternehmen häufig zurückschrecken. In den letzten Jahren sind zunehmend Marken entstanden, die seit ihrer Gründung ausschließlich auf den digitalen Direktvertrieb ihrer Produkte setzen. Diese so genannten Direct Brands bzw. Digital Native Vertical Brands (DVNBs) zeichnen sich häufig durch hohe Innovationskraft aus und gelten als Disruptoren in ihrer Branche.

Da sie nicht von festgefahrenen Strukturen betroffen sind und keine komplexen Transformationen durchlaufen müssen, können sie sich auf das Generieren von Innovationen konzentrieren. Ihre starke Fokusorientierung wird auch in ihrer Produktpalette deutlich. Sie bieten meist nur ein sehr kleines Sortiment, teils sogar nur ein einziges Produkt an. Durch ihren engen Produktfokus können sie sich als Nischenexperte etablieren und legen besonderen Wert auf die Entwicklung ihrer Marke und einer hervorragenden User Experience. Die ausschließliche Ausrichtung auf den direkten und digitalen Vertriebsweg ermöglicht effizientes agieren. Zudem ignorieren Direct Brands Branchenkonventionen wie beispielsweise der Launch von Produkten auf Leitmessen in der Elektronikindustrie oder Kollektionswechsel bei Kleidung.

Ihre effiziente Struktur ermöglicht es ihnen, sich schnell an Veränderungen des Zeitgeistes anzupassen. Deutlich wird dies auch an der Art wie Marketing betrieben wird, da sie oft ausschließlich auf Social-Media-Kanäle setzen, um eine treue und loyale Kundenbasis (Community) aufzubauen. Der Fokus liegt hierbei häufig auf Purpose Driven Marketing, d.h. es wird versucht durch geschicktes Storytelling eine Verbindung zu den Endkunden aufzubauen. Gleichzeitig führt dies dazu, dass die Community stetig weiter wächst, die wiederum neue interessierte Kunden anlockt. Ein Beispiel ist das Matratzen-Startup Casper, das sich auf seiner Webseite als Experte rund um das Thema Schlafen präsentiert und somit seine Kunden bindet, um Folgetransaktionen zu generieren. Die ausschließliche Ausrichtung auf digitalen Direktvertrieb bedingt eine für D2C optimierte Verpackung, spezifische Serviceangebote und Pricing. Kanalkonflikte entstehen nicht und Preisstabilität ist gewährleistet.

Trotz der Gefahr durch Direct Brands für etablierte Unternehmen, können diese viel von ihnen lernen oder durch Akquisitionen wie im Fall von Dr. Oetker mit Flaschenpost.de und Henkel bei Invincible Brands ihren digitalen Fußabdruck stärken. Achtsamkeit ist in jedem Fall erforderlich, da Direct Brands Marktanteile etablierter Hersteller abgreifen möchten.

 

Einschätzungen zum Konsumgütermarkt im Jahr 2021

„Die Sensibilisierung und das Beschäftigen mit dem Thema D2C-Strategie hat spätestens mit den Akquisitionen von Flaschenpost.de durch Dr. Oetker und Invincible Brands durch Henkel begonnen. Ab 2022 ist davon auszugehen, dass über ein Drittel der Konsumgüterhersteller mit einer D2C-Strategie an den Start gehen werden. Dabei wirkt die COVID-10 Pandemie wie ein Trendbeschleuniger, der die D2C-Launchzeiten um zwei bis drei Jahre verkürzt hat“, so Markus Fost, Managing Partner von FOSTEC & Company.

Markenhersteller werden eine Entwicklung hin zu D2C-Vertriebsmodell machen, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Der starke Anstieg von D2C Marken mit kleinen Sortimenten wird dazu führen, dass traditionelle Marken mit großen Sortimenten weniger zu sehen sein werden, da sich eine Verschiebung der Anteile zugunsten von D2C Marken ergeben wird.

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Skoda, MBA unterstützt Unternehmen bei der Strategieenwicklung und der operativen Umsetzung mit Fokus auf E-Commerce und Digitalisierung.

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