Im zweiten Teil unserer dreiteiligen Blogreihe zum Thema Tokenisierung von Vermögenswerten beleuchten wir eine praktische Anwendung von Security Token Offerings in der Immobilienbranche. Der erste Beitrag hat in die komplexe Dynamik von Security Token Offerings (STOs) und die Blockchain-Technologie eingeführt. Der zweite Beitrag widmet sich konkreten Umsetzungsbeispielen und Nutzungsmöglichkeiten einer dedizierten Anlageform und legt den Fokus auf die Tokenisierung von Immobilien und Immobilienprojekten.

Immobilieninvestments als unerreichbares Ziel

Für viele Menschen stellen Investments in eine eigene Immobilie entweder als Eigenheim oder aber als Investmentobjekt aufgrund unterschiedlichster Faktoren ein weit entferntes oder gar unerreichbares Ziel dar. Allgemein gesprochen ist es für Kleinanleger im 21. Jahrhundert kaum mehr möglich eine Immobilie zu erwerben, da der Immobilienerwerb eine langfristige Kapitalbindung voraussetzt und ein Verkauf nur unter Inkaufnahme von Verlusten in kurzer Zeit erfolgt. Somit liegt das Kernproblem von Immobilieninvestments in ihrer Natur, der Illiquidität.

Immobilieninvestments stellen Kleininvestoren seit jeher vor eine Vielzahl von Hürden. Es gilt die Annahme, dass der Kleininvestor nicht in Gewerbeimmobilien, sondern in Wohnimmobilien investiert. Der Verkauf einer Wohnimmobilie in Deutschland – unter der Annahme einer durchschnittlichen Lage – dauert trotz Maklereinsatz zwischen sechs und zwölf Monaten, was zu einer zunehmend langen Halteperiode für Immobilieninvestoren führt.

Im Jahr 2020 betrug die durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnfläche in Deutschland knapp 50 Quadratmeter (Gesamtheit der anrechenbaren Grundfläche der Räume, die ausschließlich zu einer Wohneinheit gehören). Bei einem bundesweiten durchschnittlichen Kaufpreis von 3.353 Euro pro Quadratmeter kann angenommen werden, dass Kleininvestoren im Schnitt einen Kaufpreis von 167.000 Euro bezahlen muss.

In einem Markt mit stetig steigenden Zinsen und der Voraussetzung eine Eigenkaptalquote von mindestens 20% bis 30% stellt sich die Frage wie sich ein durchschnittlicher Einkommensverdiener den Traum von der eigenen Immobilie erfüllen kann. Nachfolgende exemplarische Berechnung zur Investitionsfähigkeit einer durchschnittlichen deutschen Familie zeigt den Zeitumfang, um das erforderliche Eigenkapital aufbringen zu können. Unter der Annahme eines Gesamtbruttoeinkommens von knapp über 74.000 Euro wären mindestens sechs Jahre erforderlich, um eine Wohnimmobilie zu finanzieren, die eine Familie mit einem Kind behausen kann. Zusätzlich wären weitere 43 Jahre erforderlich zur vollständigen Tilgung des Kredites.

Ergänzend kommt hinzu, dass der deutsche Immobilienmarkt stark reguliert ist, was weniger sachkundige Kleinanleger erheblich abschreckt und psychologische Barrieren schafft.  So stellte das Statistische Bundesamt fest, dass sich 13% der in Deutschland lebenden Personen durch die Wohnkosten stark belastet fühlen. Darüber hinaus schrecken die deutschen Steuergesätze, wie zum Beispiel die zu zahlende Spekulationssteuer auf den Verkauf von Immobilen, welche weniger als 10 Jahre im eigenen Besitz waren (§22 und § 23 ESTG) unerfahrene Immobilieninvestoren ab.

Abbildung 1: Exemplarische Berechnung der Investitionsfähigkeit einer durchschnittlichen deutschen Familie

Das größte Problem für den deutschen Durchschnittshaushalt ist die Zeit, die benötigt wird, um Immobilienvermögen zu erwerben und ein sicheres Einkommen aus bzw. trotz der Investition zu erzielen. Obwohl Deutschland ein Land mit vergleichbar hohen Einkommen ist, vereinnahmen die umfangreichen Sozialausgaben einen erheblichen Teil des monatlichen Einkommens auf.

Alternative Investmentmöglichkeiten

Aufgrund der Probleme bei der Finanzierung bietet unser Finanzsystem (Klein-)Investoren unterschiedliche Möglichkeiten auf anderen Wegen im Immobilienmarkt zu investieren. Ein Investment in eines an der Börse gelistete Unternehmen (z.B. Deutsche Wohnen, Vonovia) kann dem Anleger die Möglichkeit offerieren in Immobilien indirekt zu investieren. Obwohl der Anleger durch seine Investition indirekt vom Wertzuwachs eines breit diversifizierten Immobilienportfolios profitieren könnte, fand das Handelsblatt heraus, das 86% aller befragten Deutschen, Investments in Aktien als zu risikobehaftet erachten. Aktien sind aufgrund des Mangels an Kontrolle seitens des Investors bei Kleinanlegern weniger beliebt. Der Investor kann keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Managements nehmen und muss sich „blind“ auf deren Investmententscheidungen und Fähigkeiten verlassen.

Im Gegensatz zu Aktieninvestments, bietet ein geschlossener Immobilienfonds bietet Anlegern ein gewisses Maß an Transparenz und Kontrolle, da er zwar ein Exposé erhält, dieses aber nicht physisch einsehen oder entscheiden kann in welche Objekte sein Geld investiert wird. Zusätzlich erfordern geschlossene Immobilienfonds eine lange Halteperiode, da sie im Gegensatz zu Aktien nicht fungibel (austauschbar und handelbar) sind. Aus diesem Grund eignen sich auch geschlossene Immobilienfonds für den Großteil der Kleinanleger nicht als Option für ein Investment oder zur Altersvorsorge.

Die sogenannten offenen Immobilienfonds kombinieren die Nachteile der vorangegangenen Möglichkeiten, da sie Investoren weder die Möglichkeit bieten an der Entscheidungsfindung zu partizipieren noch geben sie Investoren Auskunft darüber, in welche Investmentobjekte man sich schlussendlich entschieden hat. Dennoch bieten offenen Immobilienfonds im Vergleich zu ihrem geschlossenen Pendant den Vorteil der Fungibilität, wenn auch der Handel mit diesem Produkt für den Verkäufer zumeist zu Verlusten führt.

Zusammenfassend bieten die seit langem am Markt angebotenen Lösungen aufgrund ihrer Illiquidität, geringen Erschwinglichkeit und Intransparenz wenig Möglichkeiten für Kleinanleger. Aus diesem Grund war die Immobilienbranche bis zur Erfindung der Blockchain-Technologie und der Security Token Offerings ausschließlich größeren und wohlhabenderen Investoren vorbehalten.

STOs – Immobilienprojekte für Jedermann

Im ersten Beitrag „Die Tokenisierung von Vermögensanlagen – Was sind Tokens und wie funktionieren sie?“ der Blogreihe zur Tokenisierung von Vermögensanlagen, haben wir die unterschiedlichsten Arten von Tokens näher erläutert. Fokus der weiteren Betrachtung ist der Security Token.  Ein Security Token hat das Ziel, Gewinne aus der Arbeit anderer zu erzielen und wird aufgrund seiner Fungibilität und allgemeinen Beschaffenheit von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) als Wertpapier eingestuft. Somit müssen Tokens auf dedizierten Plattformen oder Börsen gehandelt werden. Ein Security Token verfolgt sein Ziel, in dem er die Arbeit anderer – einen zugrundeliegenden Vermögenswert – in kleinere Teile aufspaltet und diese für Investoren jeglicher Art zugänglich macht. Durch den bedingten Wertzuwachs des zugrundeliegenden Vermögenswertes steigt der Wert des Security Tokens und somit der Return on Investment des Investors.

Betrachtet man daher die Beschaffenheit von Security Tokens im Zusammenhang mit Erläuterungen des ersten (Immobilieninvestments als unerreichbares Ziel) und zweiten Abschnitts (Alternative Investmentmöglichkeiten), kann ein Security Token etwaige für Kleinanleger entstehende Probleme lösen und ihnen einen fungiblen Zugang zu Immobilieninvestments ermöglichen. Es entstehen im Wesentlichen zwei Anwendungsbeispiele, Bauprojekte und Investments in bereits bestehende Infrastrukturen, welche sich jedoch in ihrem Grundprinzip nur leicht unterscheiden.

Das Grundprinzip einer jeden Tokenisierung zielt darauf ab, sämtliche Rechte und Pflichten der zugrundeliegenden Vermögensgegenstände in kleinere Teile aufzuteilen und diese auf eine Gruppe von Investoren aufzuteilen. Im Hinblick auf die Tokenisierung von Immobilien bedeutet diese Aufsplittung der Rechte und Pflichten insbesondere das Recht die Anteile, welche man auf einer dedizierten Plattform erworben hat, auf eben dieser Plattform wieder zu verkaufen. Weiterhin erhält der Käufer das Recht, seinen Anteil der monatlichen Mieten, ähnlich einer Dividende, zu beziehen. Zugleich übernimmt der Käufer die Pflicht, sich um das Fortbestehen der Immobilie zu kümmern und den Pflichten des Eigentümers gegenüber den Mietern nachzukommen.

Der wesentliche Unterschied im Falle eines Bauprojekts besteht darin, dass die Käufer den Bau der Immobilie durch die Emission von Security Tokens finanzieren und die Rechte und Pflichten der Käufer im Hinblick auf die Fertigstellung der Bauarbeiten auf der Zeitschiene zurückliegen. Beim Kauf einer bestehenden Immobilie erhält der Käufer das Recht auf Auszahlung seiner Mietanteile zum Zeitpunkt der Transaktion. Die Pflichten der Investoren werden in aller Regel durch den Emittenten erfüllt, der als Hausverwaltung agiert und alle wesentlichen Entscheidungen für die Eigentümergemeinschaft trifft. Nachfolgende Abbildung stellt die erforderliche Struktur sowie die Auszahlungsströme zwischen dem Emittenten und den Investoren dar.

Abbildung 2: Struktur und Geldströme bei immobilienbasierten Security Token Offerings

Der Emittent verteilt seine Gelder über die ihm zur Verfügung stehenden Investment-Vehikel. Gelder fließen in bestehende Immobilien, während die Investoren ihre Gelder wiederum über die Investment-Plattform in einzelne Immobilien investieren. Im Fall von Immobilienprojekten tokenisiert der Emittent die Idee eines Projekts und stellt die Immobilie durch das eingehende Kapital fertig, die durch die Tokenisierung eingenommen worden sind. Während der Investor an der Wertsteigerung einer Immobilie profitiert, erhält der Emittent eine Managementfee sowie eine Transaktionsgebühr.

Security Tokens ermöglichen daher Anlegern jeglicher Finanzstärke die Partizipation an Immobilieninvestments. Im dritten Teil der Blogreihe zur Tokenisierung von Vermögensanlagen schildern wir die Anwendung auf Private Equity und Venture Capital Fonds.

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

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