Die Digitalisierung des Mittelstandes wurde 2020 durch die Corona-Pandemie weiter vorangetrieben. Darüber hinaus zeigt sich, dass Vorreiter der Digitalisierung im deutschen Mittelstand weniger negativ von der Pandemie und den Konsequenzen betroffen waren. Nichtsdestotrotz ist der digitale Reifegrad des deutschen Mittelstandes immer noch als gering einzuschätzen. Mittelständler sehen nun die Digitalisierung vor allem als Chance um Prozesse zu optimieren. Allerdings gibt es noch weitere Chancen, wie eine verbesserte Produktentwicklung oder die Erschaffung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Durch eine Bewertung des digitalen Reifegrades eines Unternehmens, können potenzielle Handlungsfelder aufgedeckt werden, die es erleichtern den Weg der digitalen Transformation anzustoßen.

Die Corona-Pandemie als Beschleuniger der Digitalisierung

Die Corona-Pandemie, die ihren Anfang im Januar 2020 in Deutschland nahm und sich bis heute fortzieht, stellt Unternehmen aller Größen und Branchen vor unvorhergesehene Herausforderungen. Durch Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wurden viele Betriebe geschlossen sowie Reise- und Kontaktverbote ausgesprochen. Der internationale und teilweise auch nationale Reiseverkehr wurden beeinträchtigt und Wertschöpfungsketten gestört, insbesondere die Versorgung mit Gütern aus China – der Werkbank der Welt. Nachfragerückgänge wurden durch Kurzarbeit kompensiert, was im Gegenzug das Kaufverhalten einiger Verbraucher negativ beeinflusste.

Da die COVID-19 Pandemie immer noch andauert, können die endgültigen und absoluten Folgen und Konsequenzen noch nicht vollends abgeschätzt werden. Die Pandemie wird jedoch häufig als Brandbeschleuniger für lange beobachtete Trends beschrieben. Einer davon ist die zunehmende Digitalisierung des Mittelstandes. Dabei zeigt sich, dass Digitalisierung nicht nur ein potenzieller Weg aus der Krise ist, sondern sich einige Unternehmen präventiv gegen diese absichern bzw. den Einfluss dieser abschwächen konnte.

Laut der Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“, konnten 80% der digitalen Vorreiter – die Top 10% der befragten Unternehmen mit dem höchsten Digitalisierungsgrad – schnell und flexibel auf die Krise reagieren. Dahingegen berichten nur 36% der übrigen befragten Unternehmen von einem derartigen Effekt. Besonders das Vorhandensein digitaler Prozesse konnte die Abläufe und auch die Produktivität während eines rapiden gestiegenen Anteiles von Homeoffice sicherstellen. Auch die Flexibilität bestehende Geschäftsmodelle zu innovieren oder neue digitale Geschäftsmodelle und Services anzubieten, konnte Mittelständlern helfen, negative Effekte durch die Pandemie abzumildern. Unternehmen, die aufgrund eines geringen digitalen Reifegrades, stark durch die Pandemie eingeschränkt wurden, sind unter Umständen in finanzielle Schieflage geraten. Dies erschwert zukünftige Investitionen oder macht diese zum jetzigen Zeitpunkt gar unmöglich.

Um Wachstumspotenziale durch Digitalisierung aufzudecken, wird zuerst der Status Quo der Digitalisierung des deutschen Mittelstandes beschrieben, bevor in einem zweiten Schritt Chancen für den Mittelstand dargelegt werden. Schließlich wird gezeigt, welche Faktoren den digitalen & E-Commerce Reifegrad beeinflussen, und wie auf Basis einer Reifegrad-Bewertung eine dedizierte Strategie erarbeitet werden kann.

Digitalisierung & E-Commerce – Status Quo im deutschen Mittelstand

Die gute Nachricht vorweg: Die Corona-Pandemie hat Digitalisierungsprojekte in der deutschen Wirtschaft noch weiter in den Fokus gerückt. 38% der im Digitalisierungsindex 2020/2021 befragten Unternehmen planen ihr Geschäftsmodell stärker zu digitalisieren, indem sie digitale Produkte und Services entwickeln. Darüber hinaus gaben 60% der befragten Mittelständler an, ihr bereitgestelltes IT- und Digitalisierungsbudget nicht zu verringern, 22% wollen dieses sogar erhöhen und nur 18% planen es zu verringern.

Hohe Priorität haben digitale Kollaborationslösungen, sowie Remote Access & VPN-Lösungen, welche sowohl die interne Kommunikation erleichtern und zusätzlich auch den Vertrieb nach außen unterstützen. Es ist zu erkennen, dass Mittelständler die Vorteile der Digitalisierung vor allem in der Prozessoptimierung zur Effizienzsteigerung sehen. Zwar ist vielen Unternehmen bewusst, dass die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle und Services ein wichtiges Fokusthema für ihre zukünftige Ausrichtung darstellt, jedoch sind die Anstrengungen diesbezüglich im gesamten Mittelstand eher zurückgestellt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Immerhin 19% der befragten Unternehmen gaben an, ihre Investitionen für E-Commerce Lösungen anzuheben, und setzen somit die Entwicklung neuer Absatzkanäle in den Vordergrund.

Analysiert man allerdings genauer und betrachtet den historischen Verlauf des Digitalisierungsstands im Vergleich zu ausländischen Volkswirtschaften, fällt schnell auf, dass dieser Anstieg auch notwendig ist, da der Digitalisierungsreifegrad im Mittelstand im Vergleich zu führenden Ländern auf einem eher niedrigen Niveau anzusiedeln ist. Im aktuellen Ranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit des IMD World Competitiveness Centers, welches die digitale Wettbewerbsfähigkeit von Ländern anhand von mehreren wirtschaftlichen, kulturellen und staatlichen Faktoren bewertet, rankt Deutschland nur auf Rang 18, knapp hinter China auf Platz 16, und weit abgeschlagen hinter den USA auf dem ersten Platz. China zog im Jahr 2020 allerdings erstmals an Deutschland vorbei und konnte sich um sechs Plätze nach oben verbessern im Vergleich zum Vorjahr, während Deutschland seine Position in den letzten Jahren nicht signifikant verbessern, sondern gerade so halten konnte.


Abbildung 1: IMD Digital Competitiveness Ranking

Obwohl die Investitionsbudgets deutscher Unternehmen seit Jahren ansteigen, ist dieser Anstieg im internationalen Vergleich nahezu verschwindend gering. Während die Ausgaben für digitale Forschung & Entwicklung in Deutschland im Jahr 2018 um 9% anstiegen, wuchsen sie in China im gleichen Zeitraum um 23% an und in den USA um 12%. Davon ausgehend, dass das Gesamtniveau in den weltweit führenden Volkswirtschaften deutlich höher liegt, zeigt sich, dass trotz steigender Investitionen nicht von Aufholen die Rede sein kann. Der deutsche Mittelstand und die deutsche Politik sind gezwungen weiter zu investieren.

Die Hauptherausforderungen der Mittelständler sind hierbei sehr divers, doch lassen sich bestimmte Kern-Herausforderungen ableiten. Ein Kernproblem für viele Mittelständler ist fehlendes Know-how, sei es in Form von Wissen oder auch mangelndes Personal. Oft werden deswegen Digitalisierungsprojekte nur halbherzig oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht angegangen. Dieses Problem hängt zudem mit der schwierigen Kosten-Nutzen-Abwägung der Prozessdigitalisierung sowie der fehlenden Akzeptanz im Unternehmen zusammen. Je hierarchischer und traditioneller beispielsweise die Unternehmenskultur geprägt ist, desto schwerer lassen sich ganzheitliche Digitalisierungsstrategien entwickeln. Im deutschen Mittelstand kommt diese Art der Unternehmenskultur besonders häufig vor. Darüber hinaus bestehen immer noch Sorgen bezüglich der Datenschutz-Anforderungen, sowie des zusätzlichen Risikos durch Cyber-Angriffe. Zuletzt fehlen einigen Unternehmen schlichtweg die finanziellen Mittel bzw. die Risikobereitschaft IT-Projekte durch Kredite zu finanzieren, obgleich die KfW dedizierte Digitalisierungskredite mit günstigen Konditionen anbietet.

Um den aktuellen Digitalisierungsstand im deutschen Mittelstand genauer zu betrachten, hilft ein Blick auf drei Kernthemen der Digitalisierung: E-Commerce Strategie, Digitale Sales Center, d.h. die vollständige Digitalisierung des Vertriebs- und Marketings unter Einbezug der Kundeninteraktion und die Digitalisierung von indirekten Unternehmensfunktionen. Laut der Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“ gaben 19% der Mittelständler an, ihre Investitionsbudgets für E-Commerce zu erhöhen. Vor allem für Unternehmen, die Waren für Endkunden produzieren, ermöglichen Direct-to-Consumer E-Commerce Distributionskanäle zusätzliches Wachstum. Zudem wird die Abhängigkeit von Intermediären gesenkt und höhere Margen lassen sich erzielen. Bedeutend ist auch, Produkte auf den gängigen großen Online-Marktplätzen wie u.a. Amazon, real.de und OTTO Market zu listen. 2020 war das erfolgreichste Jahr für den deutschen B2C Online-Handel, da durch die Corona-Pandemie zusätzliche Kundengruppen, aber auch Unternehmen auf Online-Vertriebskanäle angewiesen waren und dies zum aktuellen Zeitpunkt auch noch sind.

Das Gesamtvolumen des deutschen B2C E-Commerce Umsatzes 2019 beläuft sich auf ca. 59,2 Milliarden Euro, was einem Wachstum von ca. 11% im Vergleich zum Vorjahr (53,3 Milliarden Euro in 2018) entspricht. Aber auch der B2B E-Commerce wird für den Mittelstand in Zukunft an Relevanz gewinnen, denn besonders hier liegen verstecke ungenutzte Potenziale. Mithilfe von Elektronischem Datenaustausch (EDI – Englisch für Electronic Data Interchange) werden Transaktionsprozesse stark vereinfacht. Für 2020 wurde ein Gesamtumsatzvolumen des deutschen B2B E-Commerce von ca. 1.300 Milliarden Euro prognostiziert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die zunehmende Digitalisierung von Vertrieb und Marketing. Die interne Prozessdigitalisierung mithilfe des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnik hat eine Grundlage für den digitalen Vertrieb geschaffen. Viele B2B Anbieter benutzen seit Beginn der Corona-Pandemie bildschirmunterstützte Vertriebsmethoden, d.h. Verkaufsgespräche werden beispielsweise mit Hilfe von digitalen Tools abgehalten, die dem Kunden einen bestmöglichen Eindruck physischer Produkte vermitteln sollen. Zahlreiche Hersteller im B2B-Segment sind in der Konzeption und Umsetzung von Digital Sales Center, um Vertriebsaktivitäten digital abzubilden.

Deutsche Mittelständler setzen auf Digitalisierung, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten. Das Jahr 2020 steht ganz im Zeichen der Microsoft Teams und Zoom Konferenzen. Durch ein höheres Home-Office-Aufkommen mussten Unternehmen in diese digitalen Kommunikationsmethoden investieren, was vor allem kleinere Unternehmen vor Herausforderungen stellte. Einmal eingesetzt, bemerken allerdings viele Unternehmen die Effizienzgewinne, sodass zu erwarten ist, dass auch in Zukunft viele Mittelständler ihren Mitarbeiten das Arbeiten von Zuhause ermöglichen werden.

Chancen durch Digitalisierung & E-Commerce im deutschen Mittelstand

Der teils flächendeckende Einsatz von digitalen Kommunikationstechnologien wie Zoom oder Microsoft Teams hat zu Effizienzgewinnen in Unternehmen geführt und auch die Akzeptanz von digitaler Kommunikation im Vertrieb gesteigert. Eine Umfrage, durchgeführt an der HHL Graduate School of Management in Leipzig mit Entscheidern aus mittelständischen Unternehmen aus der Maschinenbaubranche zeigte, dass der digitale Vertrieb sich vor allem im Vertrieb mit Altkunden als effektiv erwies. Bereits vorhandene Geschäftsbeziehungen ließen sich effizient aufrechterhalten und zusätzliche Verkäufe konnten generiert werden. In einzelnen Fällen konnten deutsche Mittelständler auch erste Verkäufe mit einer rein digitalen Customer Journey erzielen.

Digitalisierung geht auch immer mit dem Sammeln von Daten verbunden. Das Sammeln, Verarbeiten und Verwerten von Maschinendaten kann beispielsweise für eine zielgerichtete Produktentwicklung eingesetzt werden. Zusätzlich kann das Auswerten von Kundendaten aufzeigen, welche Funktionen von Kunden genutzt werden. Ein weiterer Anwendungsbereich ist Predictive Maintenance, was als ergänzende digitale Dienstleistung angeboten werden kann. Ein Vorreiter des deutschen Mittelstandes ist der Werkzeugmaschinenbauer TRUMPF, der seine Lasersysteme über Condition-Based Services überwacht und somit die Verfügbarkeit und Produktivität erhöht. Dabei stellt TRUMPF seinen Kunden auch eine eigene Software zur Verfügung, um die Beschaffenheit der eigenen Laserköpfe zu überprüfen.

Die Digitalisierung bietet jedoch nicht nur Potenzial bestehende Geschäftsmodelle effizienter zu gestalten, sondern auch die Möglichkeit digitale Produkte und Services zu entwickeln und sogar ganze Geschäftsmodelle zu überdenken. Ein Beispiel hierfür ist der Niedergang von Kettler, einem deutschen Hersteller von Fitnessgeräten, während des gleichzeitigen Aufstiegs von Peloton, einem US-amerikanischen Start-up. Kettler hat den Schritt zur Digitalisierung seiner Produkte verpasst und musste im Jahr 2019 zum wiederholten Male Insolvenz anmelden. Peloton hingegen identifizierte Kundenanforderungen, erschuf eine Fitness-Community und eine Plattform, wodurch Mehrwert für den Kunden geschaffen und ein neues Geschäftsmodell aufgebaut wurde. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass Digitalisierung auch den Schritt vom reinen Produzenten hin zum Dienstleistungsanbieter ermöglicht. Deutlich wird auch, dass die Digitalisierung neben puren Effizienz- und Prozessoptimierungsvorteilen, weitere Chancen für den deutschen Mittelstand bereithält. Um ein Unternehmen für die anstehende digitale Transformation optimal auszurichten, gilt es zuerst den digitalen Reifegrad eines Unternehmens zu bewerten.

Entwicklung einer dedizierten Digitalisierungs- & E-Commerce Strategie

FOSTEC & Company entwickelte zur systematischen Analyse und vergleichenden Bewertung des digitalen Reifegrades von Unternehmen das „Digital Readiness Assessment“. Durch einen dedizierten Scoring-Prozess werden die fünf Bereiche Strategie, Kunden, Wettbewerb, Organisation und Technologie systematisch analysiert und entlang spezifischer Kriterien bewertet.


Abbildung 2: Digital Readiness Assessment

  1. Strategie

Es wird geprüft, inwieweit eine systematische Digitalisierungsstrategie und ein konsistentes Verständnis über die unternehmensweite Digitalisierung vorliegt. Häufig existieren innerhalb eines Unternehmens keine trennscharfe Definition bzw. kein gemeinschaftliches Verständnis des Buzzwords „Digitalisierung“. Dies erhöht die Gefahr von „Digitalisierungs-Aktionismus“ und das Schaffen von Digitalen-Insellösungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind, und somit häufig weitere Komplexität schaffen.

  1. Kunden

Um den eigenen digitalen Reifegrad zu ermitteln, muss auch der digitale Reifegrad der Kunden geprüft werden, d.h. es muss untersucht werden, welche digitalen Anforderungen auf Kundenseite existieren, da Digitalisierung im Vertrieb und Customer-Relationship-Management immer auch kundengetrieben ist. Zusätzlich erfordern sich stetig ändernde Kundenanforderungen eine gewisse Flexibilität auf Unternehmensseite. Die Überprüfung, inwieweit diese Kundenanforderungen erfüllt werden, ist daher ein wichtiger Indikator zur Bewertung des digitalen Reifegrades.

  1. Wettbewerb

Neben den Kunden(-gruppen), sollte auch die digitale Reife der Wettbewerber – insbesondere in Bezug auf den Vertrieb – genauestens untersucht werden. Gerade neue, digital-affine Marktteilnehmer versuchen sich als „New Gatekeepers“ mit digitalen Zusatzservices vor den Kunden zu schieben und somit bestehende Vertriebsstrukturen zu sprengen. Gleichzeitig rüsten auch bestehende Wettbewerber auf um den neuen Ansprüchen der zunehmend digitalen Customer Journey gerecht zu werden.

  1. Organisation

Auch die Organisation selbst und das vorhandene Know-how werden im Rahmen des Digital Readiness Assessment näher analysiert. Für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie muss das Thema Digitalisierung in Kultur und Organisation des Unternehmens verankert sein. Dies umfasst unter anderem die Installation neuer Rollen und Verantwortlichkeiten, wie etwa der Position eines Chief Digitalization Officer. Andererseits gilt es vor allem das entsprechende Know-how zu den vielfältigen Digitalisierungsthemen funktions- wie länderübergreifend im Unternehmen zu etablieren. Vor diesem Hintergrund spielt der digitale Reifegrad der Unternehmensorganisation eine wichtige Rolle.

  1. Technologie

Bewertung des digitalen Reifegrads in Bezug auf die in den verschiedenen Kernfunktionen eingesetzten Technologien, welche als Grundbaustein für eine funktionierende digitale Transformation dienen. In diesem Sinne wird funktionsübergreifend, d.h. von Accounting über Vertrieb und die interne Kommunikation hinweg – überprüft, welche digitalen Technologien bereits eingesetzt werden und wo Handlungsbedarf bzw. Defizite bestehen.

Unabhängig vom Gesamt-Score werden pro Analysebereich, entsprechend des jeweilig erreichen Einzel-Scores, relevante Digitalisierungs-Handlungsfelder abgeleitet. Die so identifizierten Handlungsfelder werden dann, typischerweise im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie, zur digitalen Transformation weiter analysiert und ggf. im Rahmen eines Business Case hinsichtlich Chancen und Risiken evaluiert. Darauf aufbauend erfolgt eine Priorisierung, bevor die Handlungsfelder dann in konkrete Maßnahmen überführt werden und durch eine systematische Implementierung in das Tagesgeschäft integriert werden.

Zusätzlich werden auch immer wieder Potenziale für E-Commerce freigelegt, deren Reifegrad wiederrum mit einem dedizierten E-Commerce Readiness Assessment analysiert werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Online-Visibilität und den Reifegraden der Haupt-E-Commerce Distributionskanäle (Online Marktplätze, Third Party eRetailer und Direct Sales & Affiliate). Diese werden jeweils im Vergleich zum Wettbewerb betrachtet. Als letzter Bereich wird das Online-Kaufverhalten und die Online-Affinität der Zielgruppe des Unternehmens untersucht. Anhand dieser Analyse können die Anforderungen an eine gesamtheitliche E-Commerce Strategie abgeleitet werden, welche eine interne und externe Unternehmensanalyse beinhaltet, in der verschiedene Bereiche genauer auf ihren E-Commerce Reifegrad untersucht werden.

Weiterführende Inhalte

Digitale Transformationsstrategie E-Commerce Strategie

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

Managing Partner
Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

Die E-Commerce-Branche wächst stärker denn je – was zuletzt auch die in diesen Tagen von Amazon veröffentlichten Umsatzzahlen für das Jahr 2020 verdeutlichen. So konnte der E-Commerce-Riese im vergangenen Jahr ein Wachstum von 38% verbuchen. Gerade im B2C-Bereich sind hier die Auswirkungen der vorübergehenden Schließung des stationären Handels in Zusammenhang mit COVID-19 und damit eine Verlagerung zum Onlinehandel zu spüren. Doch auch der B2B-Bereich legte im vergangenen Jahr deutlich zu und soll laut einer Prognose von Statista ein globales Handelsvolumen von gut über 10 Billionen Euro erreicht haben.

Doch wo werden diese Umsätze abgewickelt? Neben den eigenen B2B Online-Shops von Herstellern und Händlern spielen die nationalen wie auch internationalen E-Commerce-Marktplätze eine übergeordnete Rolle. Digitale Marktplätze sind für Endverbraucher aber eben auch für kommerzielle Käufer und Verkäufer zu einer geläufigen Ein- und Verkaufsmöglichkeit geworden. Vereinfacht ist das Prinzip eines digitalen Marktplatzes analog zu dem eines herkömmlichen, offline Marktplatzes: Verkäufer und potenzielle Käufer treffen an einem eher leicht zugänglichen, öffentlichen Ort aufeinander, das Angebot und die Preise sind transparent und vergleichbar. Doch lässt sich eine Reihe an spezifischen Risiken und Herausforderungen, aber auch Chancen und Möglichkeiten für Verkäufer wie auch Kunden identifizieren.

Neben dem Wachstumspotential spricht insbesondere der kostengünstige Zugang zu einer Vielzahl an Kunden für die digitalen Marktplätze. Trotzdem birgt der Handel auf den Marktplätzen auch Risiken. Die Platzierung der eigenen Marke sowie die Kommunikation des eigenen, individuellen USPs (Unique Selling Point) bedarf guter Konzepte, ausreichender Ressourcen und Know-how im E-Commerce auf Ebene der jeweiligen Marktplätze.

Die Entscheidung auf B2B-Marktplätzen zu agieren, sollte daher nicht leichtfertig getroffen werden und bedarf einiger essenzieller Vorüberlegungen. Welchen Aspekten hierbei besondere Aufmerksamkeit entgegenzubringen ist, wird im Folgenden näher erläutert.

Einstieg ins B2B-Marktplatzschäft – Wesentliche Fragestellungen zu Beginn

Zu Beginn steht grundsätzlich die Überlegung im Raum wieso E-Commerce? Und weshalb auf digitalen Marktplätzen?

Der Onlinehandel im B2B-Bereich ist noch jung, doch seine Zukunft scheint vielversprechend. Gerade in Europa stecken viele Unternehmen beim Thema E-Commerce noch in den Kinderschuhen, doch schon heute ist der B2B-E-Commerce-Markt dem B2C-Markt volumenmäßig deutlich voraus. So war das Handelsvolumen im B2B-Geschäft bereits 2019 mit etwa 10 Billionen Euro etwa sechsmal höher als im B2C-Geschäft. Zudem ist mit zukünftigem Wachstum aufgrund eines verstärkten Einstieges weiterer Unternehmen ins B2B-Onlinegeschäft zu rechnen.

Abbildung 1: B2B E-Commerce Handelsvolumen 2013-2019

 

Der Zugang zum zukunftsträchtigen B2B-Onlinegeschäft kann über verschiedene Eintrittsmöglichkeiten erfolgen. Die Frage ist welcher Weg hier für welches Unternehmen der passende ist. Es führen ja bekanntlich alle Wege nach Rom – doch ist anzunehmen, dass wohl die meisten von uns auf lange Umwege und unnötige Kosten lieber verzichten wollen.

Das Aufsetzen eines eigenen B2B-Onlineshops kann durchaus für manche Unternehmen von Interesse sein. So erlaubt der eigenständige, direkte Online-Vertrieb an den Kunden eine unmittelbare Beziehung zum Kunden und somit das Sammeln von wertvollen Kundendaten. Ebenso kann auf individuelle Kundenwünsche eingegangen und das Erscheinungsbild gänzlich selbst bestimmt werden. Ferner ist der Vergleich auf Basis der Qualität des Contents, der Produkte selbst aber auch auf Basis der Preise nur mittelbar möglich und damit die Wettbewerbsintensität weitaus geringer. Demgegenüber stehen die Kosten für den Aufbau einer eigenen digitalen Plattform, die entwickelt, betrieben und gewartet werden muss. Für den erfolgreichen Aufbau eines eigenen Onlineshops sind neben der technischen Expertise ebenso Ressourcen im digitalen Marketing und Onlinehandel notwendig. Diese Kosten sind nicht zu unterschätzen, da insbesondere in diesen Bereichen derzeit ein massiver Mangel an Experten herrscht – so sind nur 15% der Marketing- und Vertriebsmanager in Deutschland der Meinung passende Fachkräfte für Digitalisierungsthemen zu haben.

Diesen Kosten und Schwierigkeiten kann durch den Eintritt ins B2B Onlinegeschäft über digitale Marktplätze entgangen werden – zumindest größtenteils. Digitale B2B-Marktplätze schaffen somit einerseits einen Zugang zu einer Vielzahl an nationalen wie auch internationalen Kunden, ohne dabei hohe anfängliche Investitionskosten zu verursachen oder die Notwendigkeit technischer Experten. Indes müssen jedoch auch für das Agieren auf digitalen Marktplätzen entsprechende Ressourcen für die Content-Erstellung, das kontinuierliche Content-Monitoring und die Sicherstellung der Sichtbarkeit (Bestsellerrank, etc.) eingeplant und aufgebaut werden.

Dies ist insbesondere von hoher Bedeutung, da digitale Marktplätze eine unmittelbare Vergleichbarkeit mit anderen Spielern ermöglichen womit, gegenüber einem eigenen B2B Onlineshop, ein deutlich intensiverer Wettbewerb einhergeht.

Neben den genannten Erfordernissen, Vorteilen und Merkmalen gilt es, sich die Bedürfnisse von Käufern und auch Verkäufern über die E-Commerce Wertschöpfungskette hinweg im Detail anzusehen. Die Erfüllung der jeweiligen Bedürfnisse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ist dabei von fundamentaler Bedeutung, da nur so reibungslose Prozesse geschaffen und Kunden langfristig zufriedengestellt werden können. Die Sicherstellung der Bedürfnisse beider Seiten legt aus unserer Erfahrung erst den Grundstein für den Aufbau einer nachhaltigen Beziehung zum Kunden und damit den Erfolg im E-Commerce.

Abbildung 2: Käufer- und Verkäuferbedürfnisse entlang der B2B E-Commerce Wertschöpfungskette

 

Übersicht und Relevanz internationaler, digitaler Marktplätze

Marktplätze gibt es viele – nationale, internationale, branchenspezifische. Ein jeder hat seine Eigenheiten und Potenziale, die es zu erfassen und für das eigene Unternehmen bzw. Produktportfolio sowie die potenziellen Kunden zu bewerten gilt.
Die größten, auf internationaler Ebene agierenden Marktplätze – sprich Alibaba, HC360.com, Cogobuy, Mercateo, Amazon Business und Co. – implizieren allein auf Grund ihrer Größe und Verbreitung ein entsprechend großes Umsatzpotential.

Abbildung 3: Marktanteile B2B Online Marktplätze weltweit nach Handelsvolumen in 2018

 

Alibaba – der größte B2B-Marktplatz der Wel

Weltweit größter B2B-Marktplatz ist, mit einem Marktanteil von 9,2%, Alibaba, das oftmals als das „chinesische Pendant zu Amazon“ bezeichnet wird – wobei dies im B2B-Kontext durchaus auch umgekehrt lauten könnte. So ist Alibaba am stärksten in China aber auch im Übrigen asiatischen Markt vertreten, der mit einem 80-prozentigen Anteil am weltweiten Handelsvolumen im B2B-E-Commerce-Geschäft mit Abstand der größte der Welt ist – entsprechend groß sind hier die Potentiale. Auch hat der asiatische Markt bisher ein deutlich stärkeres Wachstum zu verzeichnen als die anderen Märkte. Damit kann ihm heute eine deutliche Vorreiter-Rolle zugeschrieben werden.

HC360, Cogobuy, Mysteel.cn & Focuschina.com – zentrale Spieler im chinesischen Markt und infolgedessen unter den größten der Welt

Auch andere große Spieler wie HC360.com, Cogobuy, Mysteel.cn und Focuschina.com realisieren mindestens einen Großteil ihrer Umsätze im chinesischen Markt, der heute hinsichtlich des Handelsvolumens größer ist als der nordamerikanische und europäische Markt zusammengenommen. Zudem profitieren sie von den konstant hohen Wachstumsraten, die sich auf die rasante Urbanisierung, verstärkte Digitalisierung, die schnell entstehende Mittel- und Wohlstandsklasse und den großen Anstieg von Produktion und Konsum zurückführen lässt.
Dadurch setzen HC360, Cogobuy, MySteel.cn und Focuschina ein Handelsvolumen um, das sie schließlich zu den größten Spielern im globalen B2B-E-Commerce Markt macht. Knappe 60% des chinesischen B2B-E-Commerce Handelsvolumen werden dabei allein von Alibaba, HC360 und Cogobuy erwirtschaftet.

Abbildung 4: Globales B2B E-Commerce Handelsvolumen in Milliarden EUR nach geografischen Märkten

 

Die enorme Bedeutung, die derzeit dem chinesischen und insgesamt dem asiatischen Markt zukommt, könnte in den kommenden leicht geschmälert werden. So wird in den kommenden Jahren mit tendenziell steigenden Anteilen auch für den amerikanischen sowie europäischen Markt gerechnet.

Mercateo agiert von München in ganz Europa

Im europäischen Raum kommt Mercateo mit Hauptsitz in München und über 1,5 Millionen Geschäftskunden und einem Umsatz von 316 Millionen Euro im Jahr 2019 eine zentrale Bedeutung zu. Mercateo agiert heute fast in ganz Europa und ermöglicht Unternehmen den einfachen Zugang zum europäischen B2B-Onlinegeschäft inklusiver der Möglichkeit die eigenen Produkte in einer Markenwelt darzustellen, die ausgewählten Kunden vorbehalten ist.

Amazon Business – digitaler B2B-Marktplatz mit Fokus auf Nordamerika

Im Gegensatz zu Mercateo, Alibaba und den anderen großen chinesischen Spielern konzentriert sich Amazon Business vor allem auf den amerikanischen Markt, agiert aber auch verstärkt in Europa und in Indien. B2B-Kunden profitieren hier von der Auswahl aus Millionen an Produkten sowie dem transparenten und einfachen Preisvergleich, Mengenrabatten und exklusiven Preisnachlässen. Diese Vorteile nutzen derzeit bereits über eine Million B2B-Kunden.

Dementsprechend lukrativ ist Amazon Business auch für Unternehmen, die eine möglichst große Anzahl an potenziellen Kunden erreichen wollen. Doch muss beachtet werden, dass Amazon auch selbst auf seiner Plattform agiert und der Wettbewerb entsprechend hart ist.

Zudem ist der Katalog an Auflagen, den Amazon an Marktplatzteilnehmer ausgibt, umfassend und Verstöße werden entsprechend monetär bestraft.

Insgesamt ist die Landschaft an Marktplätzen vielfältig und fragmentiert – je nach Branche gibt es oftmals eine ganze Reihe kleinerer, aber spezifischerer Marktplätze, die ebenso interessant sein können wie die großen Marktplätze, da sie sich speziell an das entsprechende Zielpublikum richten.

Wachstum durch B2B-E-Commerce – erforderliche Schritte und Maßnahmen: Aufbau einer B2B-Marktplatzstrategie

Der Einstieg in den online Vertrieb bedarf sorgfältiger Überlegungen. Um eine nachhaltige und erfolgreiche E-Commerce Strategie aufzusetzen, sollte Schritt für Schritt vorgegangen und insgesamt fünf Phasen durchlaufen werden, die schließlich in einem – sich im Projektverlauf immer weiter detaillierenden – Businessplan münden.

Zu Beginn wird eine ausführliche Marktpotential-Analyse durchgeführt, um die Umsatzpotentiale abzuschätzen. Nur wenn mit der „Zahlen-Daten-Fakten“-Basis des ersten Schrittes ein ausreichendes Potential identifiziert werden kann, lohnt sich die weitere Erarbeitung einer passenden Strategie – daher stellt die Potentialanalyse stets den initialen Schritt dar. In einem weiteren Schritt gilt es dann die passende Marketing Mix Strategie (Fokus sind hier die 5Ps) zu definieren und mit ausgewählten Marktplätzen Preise und Bedingungen auszuhandeln. Um in der Lage zu sein die digitalen Marktplätze entsprechend nachhaltig für den Vertrieb zu nutzen und zu betreiben, ist außerdem eine dedizierte Organisation mit passender Steuerungslogik erforderlich und in der Strategie zu spezifizieren. Zudem erfordert die Entwicklung und Implementierung reibungsloser E-Commerce-Prozesse wie die Bespielung von Marktplätzen mit den entsprechenden Produktinhalten, aber auch Transparenz hinsichtlich Preisen und Produktplatzierungen des Wettbewerbs eine geeignete IT-Landschaft. Daher inkludiert die Marktplatzstrategie auch die Evaluierung der aktuellen IT-Landschaft und schlägt gegebenenfalls Anpassungen vor. Um schließlich in der Lage zu sein das Produkt rechtzeitig und in der korrekten Verpackung auszuliefern bedarf es einer auf die Anforderungen von Marktplätzen abgestimmten Supply Chain. Vor diesem Hintergrund gilt es den Status quo hinsichtlich E-Commerce-Readiness zu begutachten und an die Erfordernisse der ausgewählten Marktplätze anzupassen.

Alle aufgezählten Schritte münden in einem detaillierte Businessplan, der alle Kosten und auch die einzelnen Potentiale vollumfänglich aufzeigt und so den Gesamtnutzen der Marktplatzstrategie offenlegt.

Nachhaltiger Erfolg lässt sich auf Marktplätzen nur erzielen, wenn diese strategischen Kernelemente systematisch erarbeitet werden. Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass die Herangehensweise einen entscheidenden Einfluss auf Erfolg und die Beziehung beispielsweise zu Amazon hat.

Abbildung 5: Einzelne Schritte einer B2B Marktplatz Strategie

 

Fazit

Wie dargestellt, gibt es eine Menge guter Gründe, die für den Einstieg in den B2B-Onlinehandel sprechen. So besteht auf den genannten Marktplätzen bereits heute großes Potential, sprich der Zugang zu einer Vielzahl an B2B-Kunden. Darüber hinaus ist zukünftig mit exponentiellem Wachstum zu rechnen. Gründe für diese Annahme sind der bereits gängige Umgang mit digitalen Medien und der habituelle Gebrauch von Online-Shopping der Young Professionals, die ihre privaten Gewohnheiten ebenso auf ihr Arbeitsumwelt übertragen. Hinzu kommt der natürliche Wachstumseffekt („Direct Network Effect“) einer gut funktionierenden Plattform: Je besser der Austausch funktioniert, desto mehr Spieler springen auf die Plattform auf – verkäuferseitig, aber auch käuferseitig.

Um diese Potenziale voll ausschöpfen zu können und den eigenen Marktanteil zu vergrößern, gilt es zu prüfen, wie das eigene Produktportfolio und die eigene Marke bestmöglich platziert werden können und welche Anpassungen und Veränderungen für die unternehmenseigne E-Commerce Readiness nötig sind.

Nimmt ein Unternehmen diese Herausforderung an, kann es sich aus unserer Sicht schon heute eine Vorreiterrolle sichern, wenn es darum geht die Absatzmärkte der Zukunft zu erobern und nachhaltiges Wachstum zu schaffen.

Haben Sie Fragen oder möchten Sie Ihre Gedanken zum erfolgreichen Einstieg auf internationalen B2B-Marktplätzen mit uns diskutieren, können Sie sich jederzeit gerne an unser Team wenden. Auch für weitere Fragestellungen und Herausforderungen im Bereich E-Commerce, wie beispielsweise die Durchführung eines „E-Commerce Readiness Checks“, sowie rund um das Thema digitale Plattformökonomie stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

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B2B Online Marktplatz Strategie B2B E-Commerce Distributionsstrategie

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

Managing Partner
Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

Immer mehr Hersteller von Konsumgütern ergreifen die Initiative, ihre Produkte Endkunden direkt anzubieten. Ein durch digitale und soziale Medien geprägtes Konsumentenverhalten hat die Entwicklung von „Direct-to-Consumer“ (D2C) stark gefördert und wurde durch die COVID-19 Pandemie sogar noch beschleunigt. Durch den kurzfristigen Wegfall von stationären Vertriebswegen aufgrund von Lockdowns mit staatlich angeordneten Geschäftsschließungen, wurden Hersteller gezwungen ihre bisherigen Distributionsstrategien umgehend zu überdenken und neue Vertriebswege mit direktem Kundenkontakt in kurzer Zeit aufzubauen.

„Direct-to-Consumer“ kann von Herstellern auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Marktplätze und Plattformen wie beispielsweise Amazon, eBay und Otto Market bieten die Möglichkeit der Produktlistung und des direkten Produktverkaufs an Endkonsumenten. Alternativ können Hersteller einen eigenen Online Shop betreiben oder mithilfe von Social Media Plattformen wie beispielsweise Instagram Produkte im Rahmen von Social Commerce ihren Followern anbieten.

Zahlreiche Start-ups, insbesondere im Konsumgüterbereich, verfolgen dabei ausschließlich einen „Direct-to-Consumer“-Ansatz und können ein beachtliches Wachstum vorweisen, wodurch sie zu attraktiven Akquisitionsobjekten werden. Wie schnell D2C-Marken wie beispielsweise Flaschenpost.de den etablierten Markenhersteller die Schnittstelle zum Kunden streitig machen können, zeigt die kürzliche Transaktion von Dr. Oetker, der den stark wachsenden Online-Getränke-Lieferanten für 1 Mrd. EUR übernimmt; zu einem Zeitpunkt, in dem dieser noch 2,5 Mio EUR pro Monat verbrennt.

Der Konsumgüterhersteller Henkel hat ebenfalls die Attraktivität von D2C-Marken erkannt und sich im letzten Jahr eine Mehrheitsbeteiligung am Berliner Unternehmen Invincible Brands Holding gesichert, zu dem die schnell wachsenden D2C-Marken aus dem Premium Beauty Segment HelloBody, Banana Beauty und Mermaid+Me gehören. Mit mehr als 1,5 Mio. aktiver Kunden will Henkel seine digitale Positionierung stärken und den direkten Kundenkontakt ausbauen. Auch der Lebensmittelkonzern Nestlé hat Ende 2020 das britische Kochboxen-Start-up Mindful Chef und das US-Fertiggerichte-Start-Up freshly akquiriert – beide reine D2C-Marken mit großer Kundenbasis.

Wie stark ausgeprägt das Thema D2C in unterschiedlichen Branchen ist, hat die Universität St. Gallen bei 340 Marken im deutschsprachigen Raum untersucht und dabei die Häufigkeit eines Online Shops bei Markenherstellern als Ausprägung für einen direkten Vertriebskanal ermittelt. Während die Integration von Online Shops am häufigsten in der Bekleidungs- und Textilindustrie sowie in der Branche Sport, Freizeitkleidung und Sportartikel anzutreffen ist, weist die Getränkeindustrie trotz der Flaschenpost.de Transaktion nur den geringsten Anteil auf.


Abbildung 1: Häufigkeit eines D2C-Online Shops nach Branchen in der DACH-Region

 

Mehrwerte von „Direct-to-Consumer“

Die Entscheidung eines Unternehmens für „Direct-to-Consumer“ bietet zahlreiche Mehrwerte. Können Markenhersteller ihre Zwischenhändler auf dem Weg zum Endkunden übergehen, steigern sie ihre Marge, die sonst von Intermediären im Vertriebsprozess abgegriffen werden würde. Durch das höhere Margenpotenzial können auch Preissenkungen in Erwägung gezogen werden, für die zuvor kein Spielraum vorhanden war.

Ein weiterer Mehrwert des Direktvertriebs über beispielsweise einen eigenen Online Shop liegt in der Steuerungshoheit der Markenrepräsentation. Markenhersteller können eigenständig über die Gestaltung von Produktinhalten entscheiden und auf diese Weise ihren Markenaufbau stärker fördern als dies bei einer indirekten Vertriebsform möglich wäre. Interaktionsmöglichkeiten von Kunden mit der Marke sind deutlich einfacher realisierbar, was die Kundenbindung und das Kundenerlebnis maßgeblich stärkt.

Die Schaffung einer direkten Kundenverbindung mit einer D2C-Strategie erweist sich hinsichtlich des Direktzugriffs auf Kundendaten als äußerst attraktiv. Während im direkten Vertrieb ein Hersteller lediglich mit Intermediären agiert und keinerlei Informationen zu den finalen Konsumenten erhält, hat der Hersteller nun direkten Zugriff auf Kundendaten und kann auf diese Weise deren Bedürfnisse besser verstehen. Diese Erkenntnisse können vielfältig genutzt werden wie beispielsweise das Angebot maßgeschneiderter Services, aber auch Anregungen von Kunden können auf diese Weise leichter aufgefangen werden, die in Produktoptimierungen und auch Produktneuentwicklungen münden. Kunden können zu Co-Entwicklern werden und die „Kunden-Community“ kann an Produktentwicklungsprozessen partizipieren. Das Personalisieren von Produkten ist eine weitere Facette, die sich als Option einer direkten Kundenbeziehung ergeben kann.

Während der Aufbau eines stationären Vertriebs- und Partnersystems in neuen Märkten mit erheblichem Aufwand verbunden ist, vereinfacht der Direktvertrieb mittels Online Shop oder Online Marktplatz die Expansion in neue Märkte erheblich. Zuletzt sei noch erwähnt, dass bei „Direct-to-Consumer“ Produkte deutlich schneller auf den Markt gelangen als auf indirektem Wege. Hersteller können in ihren eigenen Online Shops und Marktplätzen Produkte jederzeit und schnell anbieten.

 

Herausforderungen von „Direct-to-Consumer“

Die Umsetzung einer D2C-Vertriebsstrategie stellt viele Hersteller vor Herausforderungen. Produzenten mit etablierten indirekten Vertriebskanälen sehen die Gefahr von Kanalkonflikten bei Aufnahme des Direktvertriebs, da sie von ihren Vertriebspartnern als Konkurrenz wahrgenommen werden und deren Umsätze und Margen gefährden. Zusätzlich bringt die Einführung des digitalen Direktvertriebs eine Fülle an Neuerungen für das Unternehmen mit sich. Die Integration von Shopsystemen oder anderer digitaler Kanäle erhöht die Komplexität in der IT-Architektur der Hersteller. Zwar steigt die Komplexität bei der Implementierung eines eigenen Online Shops deutlich stärker an als bei der Nutzung einer Marktplatz-Infrastruktur, jedoch sollte auch hier der Aufwand nicht unterschätzt werden.

Viele Unternehmen müssen zudem die notwendige Kompetenz zur Bewältigung der mit D2C verbunden Aufgaben erst aufbauen und neue talentierte und digital-affine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen oder weiterbilden. Ebenso wichtig wie digitales Know-how im Unternehmen ist eine Veränderung der Denkweise von stationär und indirekt zu direkt und digital. Besonders betroffen ist auch die Logistik, da Kunden nun direkt beliefert werden und die Prozesse und Abläufe sich deutlich von Business-to-Business (B2B) zu Direct-to-Consumer (D2C) unterscheiden.

 

Direct Brands und ihre Relevanz für Markenhersteller

Die genannten Herausforderungen implizieren Veränderungen, vor denen etablierte Unternehmen häufig zurückschrecken. In den letzten Jahren sind zunehmend Marken entstanden, die seit ihrer Gründung ausschließlich auf den digitalen Direktvertrieb ihrer Produkte setzen. Diese so genannten Direct Brands bzw. Digital Native Vertical Brands (DVNBs) zeichnen sich häufig durch hohe Innovationskraft aus und gelten als Disruptoren in ihrer Branche.

Da sie nicht von festgefahrenen Strukturen betroffen sind und keine komplexen Transformationen durchlaufen müssen, können sie sich auf das Generieren von Innovationen konzentrieren. Ihre starke Fokusorientierung wird auch in ihrer Produktpalette deutlich. Sie bieten meist nur ein sehr kleines Sortiment, teils sogar nur ein einziges Produkt an. Durch ihren engen Produktfokus können sie sich als Nischenexperte etablieren und legen besonderen Wert auf die Entwicklung ihrer Marke und einer hervorragenden User Experience. Die ausschließliche Ausrichtung auf den direkten und digitalen Vertriebsweg ermöglicht effizientes agieren. Zudem ignorieren Direct Brands Branchenkonventionen wie beispielsweise der Launch von Produkten auf Leitmessen in der Elektronikindustrie oder Kollektionswechsel bei Kleidung.

Ihre effiziente Struktur ermöglicht es ihnen, sich schnell an Veränderungen des Zeitgeistes anzupassen. Deutlich wird dies auch an der Art wie Marketing betrieben wird, da sie oft ausschließlich auf Social-Media-Kanäle setzen, um eine treue und loyale Kundenbasis (Community) aufzubauen. Der Fokus liegt hierbei häufig auf Purpose Driven Marketing, d.h. es wird versucht durch geschicktes Storytelling eine Verbindung zu den Endkunden aufzubauen. Gleichzeitig führt dies dazu, dass die Community stetig weiter wächst, die wiederum neue interessierte Kunden anlockt. Ein Beispiel ist das Matratzen-Startup Casper, das sich auf seiner Webseite als Experte rund um das Thema Schlafen präsentiert und somit seine Kunden bindet, um Folgetransaktionen zu generieren. Die ausschließliche Ausrichtung auf digitalen Direktvertrieb bedingt eine für D2C optimierte Verpackung, spezifische Serviceangebote und Pricing. Kanalkonflikte entstehen nicht und Preisstabilität ist gewährleistet.

Trotz der Gefahr durch Direct Brands für etablierte Unternehmen, können diese viel von ihnen lernen oder durch Akquisitionen wie im Fall von Dr. Oetker mit Flaschenpost.de und Henkel bei Invincible Brands ihren digitalen Fußabdruck stärken. Achtsamkeit ist in jedem Fall erforderlich, da Direct Brands Marktanteile etablierter Hersteller abgreifen möchten.

 

Einschätzungen zum Konsumgütermarkt im Jahr 2021

„Die Sensibilisierung und das Beschäftigen mit dem Thema D2C-Strategie hat spätestens mit den Akquisitionen von Flaschenpost.de durch Dr. Oetker und Invincible Brands durch Henkel begonnen. Ab 2022 ist davon auszugehen, dass über ein Drittel der Konsumgüterhersteller mit einer D2C-Strategie an den Start gehen werden. Dabei wirkt die COVID-10 Pandemie wie ein Trendbeschleuniger, der die D2C-Launchzeiten um zwei bis drei Jahre verkürzt hat“, so Markus Fost, Managing Partner von FOSTEC & Company.

Markenhersteller werden eine Entwicklung hin zu D2C-Vertriebsmodell machen, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Der starke Anstieg von D2C Marken mit kleinen Sortimenten wird dazu führen, dass traditionelle Marken mit großen Sortimenten weniger zu sehen sein werden, da sich eine Verschiebung der Anteile zugunsten von D2C Marken ergeben wird.

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

Managing Partner
Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

Markus Skoda, MBA unterstützt Unternehmen bei der Strategieenwicklung und der operativen Umsetzung mit Fokus auf E-Commerce und Digitalisierung.

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Senior Consultant
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Nach langem Warten und viel Spekulation zum tatsächlichen Starttermin, hat Amazon seinen Lieferdienst für Lebensmittel – Amazon Fresh – nun auch in Deutschland gestartet. Zunächst ist der neue Service lediglich für die Prime Kundschaft in bestimmten Gebieten von Berlin und Potsdam verfügbar. Ob die eigene Adresse bereits dabei ist lässt sich über eine Postleitzahlsuche unter www.amazon.de/fresh herausfinden.

Abbildung 1: Amazon Fresh Postleitzahlsuche

Eine Prime Mitgliedschaft vorausgesetzt, können sich die Anwohner in den Pilotgebieten von Amazon (bzw. dem Kooperationspartner DHL) frische Lebensmittel liefern lassen. Momentan kann aus einem Sortiment von ca. 85.000 Produkten gewählt werden. Davon sind nach Angaben des Onlinehändlers mehr als 100 Produkte von kleinen lokalen Geschäften erhältlich. Rein von der Anzahl der verfügbaren Produkte spielt Amazon damit bereits zum Start in einer Liga mit einem größeren Supermarkt der ca. 60.000-70.000 Produkte im Angebot hat.

Kunden die Ihre Bestellung bis mittags übermitteln können diese bereits am gleichen Tag ab 16 Uhr in Empfang nehmen. Kunden die Ihre Bestellung abends bis 23 Uhr aufgegeben, erhalten die Lieferung am Folgetag zur gewünschten Zeit (innerhalb eines 2 Stunden-Slots) – das Ganze ist von Montags bis Samstags verfügbar. Liefergebühren fallen nur für Bestellungen unter einem Warenkorbwert von 40 EUR an. Dieser Service kostet für Prime Kunden zukünftig 9,99 EUR pro Monat.

Der Start von Amazon Fresh betrifft allerdings nicht nur Endverbraucher die sich Ihren Wocheneinkauf bequem nach Hause liefern lassen möchten. Denn in der neuen Kategorie sind die Marktanteile für Hersteller und Händler noch zu verteilen. Wer hier erfolgreich mitspielen möchte, sollte sich schnellstmöglich um die Listung eines passenden Produktsortiments mit hochwertigen Inhalten (d.h. Fotos, Videos, Texten mit hilfreichen Beschreibungen, etc.) bemühen. Wie bereits bei anderen Produktkategorien trifft ein Kunde die Kaufentscheidung in der Regel auf der Produktdetailseite. Da hier im Gegensatz zum stationären Ladengeschäft die Empfehlung eines kompetenten Verkäufers fehlt, entscheidet neben Preis und Verfügbarkeit vielfach die Produktpräsentation über Kauf oder Abbruch eines Konsumenten. Daher empfiehlt sich für Hersteller und Händler die in der Lebensmittelkategorie erfolgreich sein wollen, eine klare Marktplatzstrategie zu entwickeln und diese systematisch umzusetzen. Wie in Abbildung 2 zu sehen gibt es dazu aus Anbieter Perspektive mit den drei Varianten Vendor, Marketplace sowie Marketplace & Fulfillment by Amazon (FBA) verschiedene Optionen. Welche sich davon für Hersteller und Händler empfiehlt muss im Rahmen einer Marktplatzstrategie für den Einzelfall geprüft werden.

Abbildung 2: Übersicht wesentlicher Anbieter- und Nachfrager-Bereich im Amazon-Ökosystem

Aktuell scheinen sich jedenfalls sowohl Hersteller und Händler als auch Endverbraucher die nicht in den Pilotenstädten Berlin und Potsdam wohnen noch weiter gedulden zu müssen. Jedenfalls macht Amazon keine Angaben dazu wann der Amazon Fresh Service auch in anderen Städten verfügbar sein wird.

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