Ergebnisse und Kernaussagen

  • Durch fortschreitende Diversifizierung und mit Hilfe anorganischen Wachstums konnte Amazon verschiedenste Märkte durchdringen und ist mittlerweile auch neben dem Geschäftsbereich E-Commerce ein weltweit operierendes Online-Unternehmen.
  • Amazon wird auch zukünftig nicht von seiner Diversifizierungsstrategie abrücken. Besonders in den Bereichen Smart Home, Healthtech & Lifestyle und Gaming greift Amazon aktuell in bestehende Märkte ein, um sich auch hier als Marktführer zu etablieren.
  • Diese Diversifizierung des Angebotsportfolio trägt dazu bei, kartellrechtlichen Sanktionen vorzubeugen. Der Kritik der Monopolstellung von Amazon wird durch die diversifizierten Geschäftsbereiche entgegen gewirkt: Amazon betreibt heute u.a. die nachfolgenden Geschäftsbereiche: B2C Retail & Marketplace, B2B Retail & Marketplace; Logistik; Cloud Computing (AWS); KI-Infrastruktur (Alexa); Smart Home Hardware (Alexa), Content (Prime Video, Music, Twitch), etc.

 

Es war die große Überraschungsnachricht bei der Vorstellung der Amazon Jahresergebnisse für 2020 – Jeff Bezos, der Gründer und Geschäftsführer von Amazon, tritt im dritten Quartal 2021 von seinem Posten als CEO zurück und übernimmt den geschäftsführenden Vorsitz des Verwaltungsrates. Jeff Bezos war der Hauptverantwortliche in der gesamten bisherigen Amazon Historie – vom Online-Buchhandel, der ursprünglich „Relentless“ (engl. für „unerbittlich“) heißen sollte, hin zum größten B2C E-Commerce-Player der Welt – und das alles in weniger als 30 Jahren. Im Februar 2021 veröffentlichte Amazon seine Geschäftszahlen für das Jahr 2020 und konnte erneut ein Umsatzwachstum von 38% vorweisen. Selbstverständlich trug hierzu auch die Corona-Pandemie signifikant bei, da durch Regierungen weltweit verhängte Kontaktbeschränkungen und Ladenschließungen den stationären Einzelhandel sehr stark einschränkten. Jedoch wies Amazon auch in den vergangenen Jahren exponentielle Wachstumsraten auf, sodass Corona lediglich als Beschleuniger diente.

Amazon hat es es verstanden, sich während der 27-jährigen Firmengeschichte stetig neu zu erfinden und neue Geschäftsmodelle in die Firmengruppe zu integrieren. Diese neuen Geschäftsmodelle trugen 2020 mit einem nicht unwesentlichen Anteil zum Gesamtergebnis von ca. 20 Milliarden Euro im Jahr 2020 bei (tatsächlich kamen 62,5% des gesamten Amazon Profits von Amazon Web Services, obwohl AWS nur knapp 12% des gesamten Umsatzes von Amazon ausmachte). Um auch in Zukunft ein derart starkes Wachstum zu verzeichnen, wird Amazon sowohl im E-Commerce-Segment als auch in den anderen Geschäftsbereichen innovativ bleiben und auch durch Integration neuer Geschäftsmodelle kontinuierliches Wachstum generieren müssen.

Vom Online-Buchhändler zum Blueprint der Plattformökonomie

Im Juli 1994 wurde Amazon von Jeff Bezos als Onlinebuchhandlung in Seattle gegründet und verkaufte nach einjähriger Entwicklungsphase im Juli 2015 sein erstes Buch. Der Rest der bisherigen Firmenhistorie ist – untertrieben ausgedrückt – beeindruckend.  Bereits im Jahr 1997, zwei Jahre nach Firmengründung, konnte Amazon insgesamt 146 Millionen USD umsetzen, 1998 folgte mit der Akquisition von Telebook Inc. die erste Expansion in internationale Märkte. Bereits im Jahr 2006 fing Amazon an, mit Amazon Web Services Dienstleistungen für andere Online-Unternehmen anzubieten. Schrittweise wurde das Produktsortiment ausgebaut, alles mit einer klaren Strategie im Hinterkopf, die Amazon bis heute verfolgt.

Schon bei der Gründung von Amazon hatte Jeff Bezos die Vision, zusätzliches Wachstum durch permanente Verbesserung der Customer Experience zu schaffen – zum einen durch ein hohes Produktsortiment, zum anderen durch eine optimierte Kostenstruktur. Die Zeichnung des Amazon Flywheels von Jeff Bezos ist bis heute ein Symbol für das hohe Maß an Kundenorientierung und vor allem für die Merkmale der modernen Plattformökonomie. Diese Kundenorientierung war auch die Basis für die Integration weiterer Geschäftsmodelle in das Amazon Ökosystem. Heute bietet Amazon neben Produkten auf dem eigenen Marktplatz und Amazon Web Services auch weitere Dienstleistungen für seine Kunden an. Darunter zählen beispielsweise das Amazon Prime Abonnement (inklusive Amazon Music, Amazon Prime Video), Smart Home Geräte, der Verkauf auf dem Amazon Marktplatz durch Dritte gegen Provision.

Seit 2017 erwirtschaftet Amazon sogar Umsätze durch stationäre Ladengeschäfte durch die Akquisition der Bio-Supermarktkette Wholefoods. Alle dies führte unter anderem dazu, dass Amazon seit 2010 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 29% wächst. Von 2019 auf 2020 betrug das Wachstum sogar 35% und ein Gesamtumsatz von umgerechnet 338 Mrd. Euro wurde erwirtschaftet.


Abbildung 1: IMD Digital Competitiveness Ranking

Amazons Wachstums- & Diversifizierungsstrategie

Um eine mögliche Wachstumsstrategie für die Zukunft von Amazon zu erarbeiten, lohnt sich ein genauer Blick auf die Diversifizierungsstrategie von Amazon der vergangenen Jahre. Während das Geschäftsmodel von Amazon gegen Ende der 1990er Jahre noch eindeutig zu beschreiben war, so steht man heute vor dem Problem das Amazon Geschäftsmodell in einem prägnanten Satz zu erklären. Dies liegt daran, dass sich Amazon wie nur wenige erfolgreiche Unternehmen zu einem hohen Maße diversifiziert hat. Klassische Branchengrenzen scheinen für Amazon nicht existent zu sein. Ganz allein ist Amazon dabei nicht, auch andere Unternehmen wie Google oder Apple und auch das chinesische Pendent zu Amazon, Alibaba, verfolgen eine ähnliche Strategie – jedoch gilt Amazon noch immer als Vorreiter.

Das strategische Vorgehen dieser Diversifizierungs-Champions ist dabei vergleichsweise ähnlich: Durch die Nutzung von IoT Technologien, werden digitale Value-Added-Services aufgebaut, welche physische Produkte ergänzen und zusätzlichen Kundennutzen schaffen. Ein gutes Beispiel von Amazon ist das Angebot von Film- & Serienstreaming über die Plattform Amazon Prime Video. Kunden können auf Amazon entscheiden, ob sie einen Film als Blu-ray, DVD, oder digitalen Stream kaufen möchten, einige Filme & Serien sind zudem kostenfrei zum On-Demand Abruf im Amazon Prime Abonnement enthalten. Dieses Angebot verknüpft mit der Kapazität die dadurch erzeugten personifizierten Kundendaten auslesen und nutzen zu können, verleiht Amazon einen weiteren Vorteil. In Verknüpfung mit dem Kaufverhalten des Nutzers, vorausgesetzt die Daten werden auch korrekt ausgewertet und weiterverarbeitet, ergeben sich neue Erkenntnisse bezüglich Konsumentenanforderungen für beispielsweise neue TV-Produktionen.

Selbstverständlich wäre es auch möglich, die gewonnen Daten an Anbieter in der Wertschöpfungskette zu veräußern. Immer mehr Unternehmen ziehen es allerdings vor, die Erkenntnisse selbst zu nutzen und aktiv zu werden. Am Beispiel Amazon Prime Video wird dies erneut deutlich. Bot Amazon anfangs noch fremdproduzierte Filme und Serien auf der eigenen Plattform an, so werden mittlerweile zusätzlich eigenproduzierte Titel angeboten, die mithilfe der gewonnenen Daten konzipiert wurden. Da Amazon auch andere Anbieter von digitalen Freizeitangeboten als direkte Konkurrenz für die Video Plattform anerkennt, findet auch eine vertikale Integration in diesem Bereich statt. Denn auch Amazon Prime Video startete mit der Akquisition des Streaming Anbieters Lovefilm International im Jahr 2011.

Ein weiteres Beispiel hierfür ist die vielbeachtete Akquisition des Live-Streaming-Videoportals Twitch im Jahr 2014 für damals umgerechnet circa 970 Millionen USD. Auch Google war zum damaligen Zeitpunkt sehr an einer Übernahme interessiert. Nach der Präsentation des ersten Kindle im Jahr 2007 dauerte es auch nicht lange, bis Amazon den Hörbuchanbieter Audible für ca. 300 Millionen USD übernahm. Daraus lässt sich ableiten, dass Unternehmensakquisitionen ein wichtiger Bestandteil der Amazon-Diversifizierungsstrategie darstellen, wie es auch bei anderen Diversifizierungs-Champions der Fall ist. Nach erfolgreicher Integration kann das zusätzliche Wissen über Kundenanforderungen genutzt werden, um noch zielgerichteter zu operieren, Skaleneffekte zu nutzen, die im Endeffekt auch eine weitere Expansion in neue Märkte fördern.

Potenzielle Wachstumsherausforderungen

Betrachtet man das Wachstum von Amazon in der Vergangenheit, so stellt sich automatisch die Frage, ob sich dieses Wachstum für die Zukunft fortschreiben lässt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich jedoch potenzielle Wachstumsbeschränkungen erkennen, durch die das Wachstum von Amazon zumindest verlangsamt werden könnte.

Vergleicht man die Wachstumsraten der wichtigsten Amazon-Märkte, wird ersichtlich, dass entgegen der ursprünglichen Behauptung, dass internationale Märkte den US-amerikanischen Kernmarkt überholen würden, sogar das Gegenteil eingetreten ist – der US-amerikanische Umsatz wächst schneller als die ausländischen Kernmärkte. Der Anteil des amerikanischen Marktes am Gesamtumsatz von Amazon wuchs sogar von 65,9% im Jahr 2015 auf 68,3% im Jahr 2020 an. Auch die jährliche Wachstumsrate in den USA von 2015 bis 2020 (30%) ist deutlich höher als die des Vereinigten Königreichs (24%), Deutschland (20%) und Japan (20%), den wichtigsten Auslandsmärkten von Amazon. Eine mögliche Erklärung liegt in den unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten und den daraus resultierenden Unterschieden in der Online-Shopping-Affinität. Sicherlich liegt im internationalen Wachstum der gesamten Amazon-Gruppe eines der größten Wachstumspotenziale, allerdings auch eine große Herausforderung.


Abbildung 2: Umsatzerlösverteilung der Amazon-Gruppe nach Herkunft 2015-2020 [in %]

 

Das Wachstum von Amazon stammt schon lange nicht mehr nur vom reinen E-Commerce Geschäft. Tatsächlich weisen vor allem Amazon Web Services und die Abo-Modelle um Amazon Prime ein hohes Wachstum auf und konnten ihre Anteile am Gesamtvolumen der Amazon-Gruppe seit 2015 stetig vergrößern. Aber auch andere Bereiche wie beispielsweise den B2B E-Commerce Sektor mit dem eigenen B2B Marktplatz Amazon Business. Der Einkaufslieferdienst Amazon Fresh, der 2017 an den Start ging, ermöglicht es in großen US-Städten, aber mittlerweile auch in Berlin und anderen europäischen Großstädten, Lebensmitteleinkäufe online zu tätigen, mit same-day-delivery und auswählbaren Lieferfenstern. Die Umsatzverteilung nach Geschäftsbereichen im Jahresvergleich kann aus der folgenden Grafik entnommen werden.


Abbildung 3: Umsatzerlösverteilung der Amazon-Gruppe nach Geschäftsbereichen 2015-2020 [in %]

 

Gegen Ende des Jahres 2020, wurde außerdem bekannt, dass Amazon in den USA mit einem eigenen Medikamentenversand am US-Amerikanischen Markt an den Start gehen wird. Bislang ist dies in Deutschland nur über Marketplace Teilnehmer wie DocMorris möglich. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Amazon diesen Dienst auch in Deutschland und den weiteren Auslandsmärkten vorantreiben wird. Amazon kreiert also weitere Wachstumsräume neben dem klassischen E-Commerce Geschäftsmodell. Allerdings wird das Kerngeschäft von Amazon auch in Zukunft von großer Relevanz für die jeweiligen E-Commerce Märkte sein, weshalb es nach wie vor wichtig ist, auf Amazon als Hersteller oder Händler vertreten zu sein und einer dedizierten Amazon-Strategie zu folgen.

Ein weiterer begrenzender Faktor ist die sich intensivierende Diskussion um die Marktmacht großer Datenkonzerne wie Facebook, Google und eben Amazon. Besonders im Euroraum scheint eine zukünftige Regulierung von Datenkonzernen eine sichere Sache zu sein. Durch die Gewinnung aller Kundendaten, auch derer die ausschließlich bei Marktplatz-Händlern einkaufen, verschafft sich Amazon einen Wettbewerbsvorteil, von dem die auf Amazon vertretenen Händler jedoch nicht profitieren. EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, stellte Ende 2020 ein Paket zur Regulierung des digitalen Marktes vor. Amazon würde damit verboten werden über Marktplatzteilnehmer generierte Daten zu nutzen, zudem müsste Amazon diese Daten dem Marktplatzteilnehmer zur Verfügung stellen. Bei Zuwiderhandlung gegen Wettbewerbsvorschriften der EU drohen Strafen in Höhe von bis zu 10% des globalen Jahresumsatzes. Doch nicht nur wegen des Umgangs mit Endkundendaten wird Amazons Geschäftsgebaren kritisch beobachtet.

Amazon sieht sich vermehrt kartellrechtlichen Vorwürfen ausgesetzt und steht schon seit langer Zeit in Deutschland im Visier des Bundeskartellamts. Aktuell wird Amazon vorgeworfen, während der Corona-Pandemie Händler mit zu großem Preisaufschlag (besonders bei besonders stark nachgefragten Artikeln wie Toilettenpapier, Mund-Nasen-Bedeckungen, oder Desinfektionsmittel) gesperrt zu haben. Das Bundeskartellamt sieht hierin einen ungerechtfertigten Eingriff in die Preisgestaltung der Händler, der besonders durch die Quasi-Monopolstellung im deutschen E-Commerce-Markt erhebliche Einschränkungen für die Händler bedeutet. Zusätzlich wird Amazon vorgeworfen Markenherstellern anzubieten, Dritthändlern den Verkauf ihrer Produkte zu verbieten, bei gleichzeitiger Kooperation der Markenhersteller im Amazon Vendor-Modell. Amazon selbst begründet dieses Verhalten mit dem Schutz der Hersteller vor Produktpiraterie.

Doch auch in den USA keimt langsam dicke Luft auf. So musste sich Jeff Bezos im Juli 2020 vor einem Senatsausschuss zur Frage äußern, ob Amazon Daten von Marktplatzhändlern zu deren Nachteil nutze, um mit ihnen in direkte Konkurrenz zu treten – ein Vorwurf, dem sich Amazon schon länger ausgesetzt sieht. Allerdings sind die US-Behörden mit ihren Ermittlungen noch am Anfang und ein erstes Urteil in der EU ist vorher zu erwarten. Fakt ist, dass die Quasi Monopolstellung von Amazon im B2C E-Commerce sowohl in den USA als auch in der EU und dem Rest der Welt gehen mit einem starken Maß an Marktmacht einher, die es Amazon ermöglichen das weltweite E-Commerce Geschehen nach seinem Belieben zu beeinflussen. Die Diskussionen über den nachhaltigen und fairen Umgang mit personenbezogenen Daten und wettbewerbsrechtliche Bedenken haben das Potenzial das zukünftige Wachstum großer Datenkonzerne nachhaltig zu dämpfen.

Ausblick für die Zukunft von Amazon

Deutlich wurde, dass das Wachstumspotenzial von Amazon besonders im E-Commerce-Bereich langsam, aber sicher abnimmt. Um zukünftig auch weiteres Wachstum zu realisieren, fing , angefangen bei der Akquisition von Telebook Inc. im Jahr 1998 als erster Internationalisierungsschritt, bis hin zu den Akquisitionen von Lovefilm, welche die Grundlage für Amazon Prime Video legte. Viele bewerten auch die Akquisitionen vom Online-Händler Zappos im Jahr 2010 und der E-Commerce Plattform Quidsi als grundlegende Erfolgsfaktoren der Entwicklung zum Versandhandel für alles. Auch die Entwicklung des Smart Home Segments begann mit den strategischen Akquisitionen der Spracherkennungssoftware Firma Yap und der KI Sprachassistenzsoftware Evi. Der Einstieg in den Medikamentenversand gelang ebenfalls durch die Akquisition des amerikanischen Online-Apotheken-Unternehmens PillPack. Es kann vermutet werden, dass Amazon auch in Zukunft strategische Unternehmensakquisitionen verwenden wird, um neue Wachstumsmärkte zu erschließen.

Wie auch in der Vergangenheit, wird Amazon innovative Geschäftsmodelle in sein Portfolio aufnehmen. Zwar stellt das E-Commerce-Business noch über 50% des jährlichen Umsatzes dar, es wird jedoch erwartet, dass dieser Anteil über die nächsten Jahre deutlich kleiner werden wird, weil andere Geschäftsbereiche stärker wachsen. Geschäftsmodelle wie beispielsweise Amazon Web Services, und die Online Abonnement Services, aber auch bisher noch nicht existente Geschäftsmodelle werden in nicht allzu ferner Zukunft wahrscheinlich das Kernsegment von Amazon bilden. Diese vorherzusagen ist aufgrund der großen Intransparenz von Amazon recht schwierig, jedoch gibt es bereits einige spannende Amazon Projekte in den USA.

Amazon testet bereits jetzt neue Produktideen, die komplett neue Geschäftsmodelle mit sich bringen und ermöglichen. So veröffentlichte Amazon in den USA bereits ein neues innovatives Fitnessgadget Halo, ähnlich wie Apples Apple Watch, wodurch Amazon zahlreiche Daten seiner Nutzer sammeln und diese für Produktneuentwicklungen nutzen kann. Von den Wettbewerbern unterscheidet sich dieses schon grundsätzlich durch sein Design ohne Display. Zusätzlich bietet es sich an, durch Abonnement-Modelle, Neukunden zu binden. Besonders im Hinblick auf mögliche Synergien mit Amazons online-Apothekendienst, lässt sich ein Grundgerüst für neue Geschäftsmodelle und somit zukünftiges Wachstumspotenzial erkennen. Denkbar wäre beispielsweise die Unterstützung einer optimalen Zufuhr von maßgeschneiderten Nahrungsergänzungsmitteln zu gewährleisten, oder Krankheiten durch Körperdaten zu erkennen, und mögliche Therapien vorzuschlagen.

Schaut man sich die neueste von mittlerweile über 100 Akquisitionen in der 27-jährigen Firmengeschichte an, so zeigt sich ein weiteres zukünftiges Fokusfeld von Amazon. Im Januar 2021 kaufte Amazon die finnische Firma Umbra, die eine Software zur 3D Modellierung von Videospielen entwickelt, die heutzutage von führenden Videospielherstellern verwendet wird. Amazon fokussierte sich in der jüngeren Vergangenheit immer mehr auf den Videospielsektor, rund 500 Millionen Euro investiert Amazon hier in den vergangenen Jahren durchschnittlich pro Jahr. Im Mai 2020 floppte allerdings das erste veröffentlichte Amazon Spiel Crucible. Mittlerweile kann es nicht einmal mehr heruntergeladen werden. In den USA startete Ende 2020 zusätzlich die Beta Phase des eigenen Cloud-Gaming-Service, Amazon Luna, der es erlaubt nur mit einem Controller und einem Amazon Fire TV-Stick Videospiele online zu spielen. Gerade in Verbindung mit dem Streamingdienst Twitch verspricht sich Amazon hier weiteres Wachstum.

Neben neuen Geschäftsmodellen sieht Amazon allerdings auch Wachstumspotential in einer Logistikoptimierung. Durch kombinierte Lieferungen von Hartwaren und frischen Lebensmitteln, kann die Gesamtzahl von Einzellieferungen reduziert werden, was die Kosten deutlich reduziert, aber auch den Komfort für Kunden erhöht, getreu Amazons Flywheel. Wie genau Amazon in 10 Jahren aussehen wird, kann momentan selbstverständlich niemand voraussagen. Es ist allerdings nicht unwahrscheinlich, dass Amazon in 10 Jahren weniger mit dem Amazon von Heute zu tun haben wird als das Amazon von Heute mit dem Amazon von 2011.

Um auch in Zukunft erfolgreich als Hersteller auf dem Amazon-Marktplatz zu sein, das derzeit noch den größten Teil des Amazon-Umsatzes ausmacht, empfiehlt sich eine dedizierte Amazon-Strategie, die sich basierend aus den Erfahrungen und zahlreichen, branchenübergreifenden Projekten aus sieben Bausteinen aufbaut.

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Amazon Strategy Consulting Services E-Commerce Strategie

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

Online-Marktplätze stellen für Markenhersteller im E-Commerce, welche keine reinen D2C Vertriebsstrategien verfolgen in der Regel den wichtigsten Absatzkanal dar. Das rasante, stets zweistellige Wachstum von Online-Marktplätzen wurde durch die COVID-19 Pandemie noch deutlich beschleunigt. Grund genug, sich aus Sicht eines Markenherstellers mit Verhandlungsstrategien zu beschäftigen. In der Praxis stellen diese Verhandlungen nicht selten den größten Werttreiber sämtlicher E-Commerce Teilprojekte dar.  

 1      Übersicht relevanter Marktplätze in Deutschland

In Deutschland gibt es bereits zahlreiche Marktplätze. Dieser Trend wurde zusätzlich dadurch gesteigert, dass diverse Pure-Player wie Zalando, aber auch Multi-Channel Formate wie OTTO im Rahmen der eigenen Geschäftsmodell-Evolution zu einem Online-Marktplatz wurden. Betrachtet man die Reichweite der Marktplätze und das damit verbundene Absatzpotenzial, so bleiben wenige Marktplätze übrig, mit denen sich eine nähere Beschäftigung aus Sicht des Markenherstellers lohnt. Abbildung 1 zeigt eine Auswahl relevanter Online-Marktplätze in Deutschland:

Abbildung 1: Bewertung relevanter Marktplätze in Deutschland

Während sich eBay, OTTO Market und Real als kooperativer Marktplatzbetreiber gegenüber den Lieferanten präsentieren, indem transparente Konditionen vorgeschlagen werden und das Onboarding eines neuen Lieferanten i.d.R. sehr partnerschaftlich abläuft, stellt Amazon hohe Anforderungen an die Durchsetzung seiner gewünschten Terms & Conditions. Nun verwundert dies nicht, da mehr als jeder zweite Euro im deutschen B2C E-Commerce über Amazon abgewickelt wird. Grund genug, sich aus Sicht eines Markenherstellers primär auf Amazon im Vendor-Modell hinsichtlich der Verhandlungsstrategie zu konzentrieren.

 

2      Verhandlungsstrategie für Markenhersteller auf Amazon

“Everything is negotiable. Whether or not the negotiation is easy is another thing”.

Carrie Fischer, US-amerikanische Schriftstellerin

So leicht und angenehm es für Kunden ist, auf Amazon zu bestellen, so herausfordernd ist es für Hersteller, das Potenzial der eigenen Marke auf Amazon auszuschöpfen, sich gegen eine Vielzahl an D2C Brands hinsichtlich der Visibilität zu behaupten und gleichzeitig profitabel zu bleiben. Spätestens seit dem Strategiewechsel Ende 2019 in Europa, der bedeutet, dass die Ziele den Kunden die größte Selektion an Artikeln bieten zu wollen, nunmehr der Erzielung von Profitabilität in seiner Reihenfolge weichen musste, sind Verhandlungen und Jahresgespräche mit Amazon noch herausfordernder geworden und nähern sich allmählich dem Niveau der USA an. Die Zusammenarbeit mit Amazon besteht sowohl aus der laufenden operativen Zusammenarbeit, bei dem „mehr oder weniger“ Kommunikation mit dem Vendor Manager anfällt, als auch aus Jahresverhandlungen. Marken, die das Amazon-Potenzial realisieren wollen, sollten beide Bereiche gut beherrschen. Die Jahresgespräche mit Amazon stellen Markenhersteller oft vor besondere Herausforderungen hinsichtlich der langfristigen Profitabilität ihrer Artikel, da Amazon traditionell einen ständigen Druck auf Artikelpreise, Vertragskonditionen und Strafzahlungen ausübt. Im Januar 2019 hat Amazon seine Profitabilitäts-Anforderungen an alle Artikel stark erhöht (siehe dazu ein Interview von Markus Fost, vom 08.03.2019). Dieser Wechsel wird für Markenhersteller, die im Vendor-Modell an Amazon ihre Ware verkaufen, durch folgende Faktoren spürbar:

  • Die Einführung permanent neuer Chargebacks (Ausgleichszahlungen) von Amazon erschwert die Margenplanung bei Herstellern;
  • Die direkte Erreichbarkeit der Vendor Manager wird immer schwieriger, da jeder Amazon Einkäufer zunehmend mehr Lieferanten betreut. Als zielführendste Kontaktmöglichkeit zum Vendor Manager hat sich das Ticket-System über Vendor-Central bewährt, wodurch allerdings relativ lange Bearbeitungszeiten entstehen;
  • Als Lösung wird ein Amazon Vendor Service (AVS) angeboten, der sich explizit um alle Anliegen eines Herstellers kümmern sollte. Dabei liegt der Preis für einen AVS bei ca. 180k EUR p.a. Allerdings betreut ein AVS nicht nur einen Vendor, sondern gleich 8-12 Lieferanten, was somit dessen Verfügbarkeit für einen konkreten Vendor erschwert und auch das in der Regel unattraktive Preis-Leistungsverhältnis aufzeigt;
  • Die Anforderungen von Amazon an Einkaufspreise, Vertragskonditionen (sogenannte „Front- & Backend Terms“) und Marketingbudgets steigen kontinuierlich an. Dies drückt die Profitabilität vieler Marken nach unten, da solche Zusatzausgaben durch einen höheren Umsatz nicht immer überkompensiert werden können;
  • Seit einiger Zeit melden Hersteller vermehrt Fälle, bei denen ihre Artikel von Amazon nicht nachbestellt werden. Während dafür früher hauptsächlich solche Gründe wie z.B. das CRAP-Out (Cannot Realize Any Profit) oder der Buybox-Verlust verantwortlich waren, werden heutzutage solche Auslistungs-Entscheidungen von Amazon oft gar nicht begründet.

Die vorgenannten Punkte machen deutlich: Amazon wird auch in Zukunft versuchen, Einfluss auf die Lieferanten auszuüben und dies über Jahresverhandlungen zu verwirklichen. Um dies zu vermeiden, sollten sich Hersteller rechtzeitig mit einer professionellen Strategie auf Jahresverhandlungen mit Amazon vorbereiten. Um dies zu realisieren, bietet sich die nachfolgende Vorgehensweise mit 5 Schritten an, mit denen Sie die Jahresgespräche mit ihrem wichtigen Online-Partner erfolgreich durchführen können.

 

2.1    Schritt I: Einführung von Amazon Performance Management (APM)

Ein erster Grundstein für die erfolgreichen Verhandlungen mit dem nicht margengetriebenen Online-Unternehmen aus Seattle ist eine Ist-Analyse der eigenen Sortiments-Performance auf Amazon. Wir sprechen hier von Amazon-Performance-Management (APM). Hierzu haben wir ein ausführliches Whitepaper verfasst, welches Sie unter dem folgenden Link downloaden könnten. Dazu gehört ein ganzheitliches Bild über die Umsätze, Profitabilität und Marketing-Performance auf Einzelartikelebene. Wichtig ist dabei, die Ist-Analyse mit den tatsächlichen Zahlen zu belegen. Hier gibt Amazon seinen Lieferanten das beste Beispiel, denn die Entscheidungen von Amazon sind sowohl hinsichtlich der Vendoren als auch der eigenen Organisation immer rein datengetrieben. Für diese Analyse bietet sich der Aufbau eines Amazon-Performance-Management (APM) Tools an (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Übersicht eines APM Cockpits von FOSTEC & Company

 

2.2    Schritt II: SWOT-Analyse für die Jahresgespräche

Ein zweiter Schritt auf dem Weg zu den erfolgreichen Jahresgesprächen mit Amazon besteht in einer detaillierten Analyse der eigenen Position gegenüber Amazon. Welche Stärken besitzt die eigene Marke? Welcher Marktanteil besteht im deutschen Markt? Welche weiteren Entwicklungschancen hat das Unternehmen und seine Produkte? Abbildung 3 zeigt eine beispielhafte Bewertung eines Unternehmens im Rahmen einer SWOT-Analyse als Vorbereitungs für die Jahresverhandlungen mit Amazon.

Abbildung 3: Exemplarische SWOT-Analyse für die eigene Positions-Bestimmung in den Amazon-Verhandlungen

Die Ergebnisse der SWOT-Analyse werden an Amazon nicht herausgegeben und gelten als Grundlage für die eigene Standort-Bestimmung gegenüber Amazon. Der Hersteller sollte dabei nicht nur sich selbst kritisch betrachten, sondern auch feststellen, ob und wie er durch die Zusammenarbeit mit Amazon die eigenen Ziele erreichen kann. Welche Ziele man sich dabei setzen sollte, wird in Schritt III unserer Verhandlungsstrategie erläutert.

 

2.3    Schritt III: Klare Ziele und Verhandlungstechniken

Die Basis für die Ausarbeitung der Verhandlungsstrategie bilden nicht nur die Ist-Zahlen aus Schritt I und die SWOT-Analyse aus Schritt II, sondern auch klar definierte Ziele des Herstellers in Bezug auf die anstehenden Vertragsverhandlungen. Was will das Unternehmen mit diesen Verhandlungen erreichen? Welche Konditionen werden vom Hersteller angestrebt? Bei welchen Konditionen kann der Hersteller nachgeben und bei welchen soll er den Wert reduzieren? Inwieweit diese Ziele durchgesetzt werden können, hängt im Wesentlichen von der Relevanz des Herstellers aus Sicht von Amazon ab. Letztere bestimmt neben der Markenstärke primär der Marktanteil des Lieferanten auf Amazon im jeweiligen Produktsegment. Diese sollte im Vorfeld der Verhandlung gemessen werden.

Abbildung 4: Zwei exemplarische Verhandlungstechniken für Hersteller

 

Im ersten Strategie-Ansatz wird zunächst ein Vertrags-Entwurf vom Hersteller erstellt, in dem seine Konditionen für das kommende Jahr festgehalten werden. Dieses Angebot wird Amazon vorgelegt, das dann in einem iterativen Prozess dem Hersteller seine eigenen Gegenvorschläge zurücksenden wird. Diese Vorgehensweise zeichnet sich durch einen nicht unerheblichen Zeit- und Ressourcenaufwand aus, der in die einzelnen Iterationen investiert werden muss. Nichtsdestotrotz bietet auch dieser Weg einige Vorteile für den Hersteller: So zeigt der Hersteller seine Bereitschaft, mit Amazon zu verhandeln, wodurch eine gute Beziehung mit dem Online-Partner etabliert werden kann.

Im Gegensatz zum ersten Ansatz sind in der zweiten strategischen Vorgehensweise „One offer to close“ keine einzelnen Iterationsschleifen vorgesehen. Das Ziel in diesem Ansatz ist es, die zu verhandelnden Konditionen im Voraus intern beim Hersteller zu definieren und dieses Angebot Amazon nur einmal vorzulegen. Der Hersteller zeigt dadurch auch seine starke Verhandlungsposition. Nicht ohne Nachteile ist auch dieser Verhandlungsweg, denn der Ausschluss von Kompromissen kann dazu führen, dass keine Einigung zu Stande kommen wird. Ferner kommt dieser Verhandlungsansatz nur bei starken Lieferanten in Frage, welche über einen signifikanten Marktanteil verfügen.

 

2.4    Schritt IV: Verhandlungsszenarien

Aus der langjährigen Projekterfahrung von FOSTEC & Company lassen sich grundsätzlich fünf unterschiedliche Szenarien definieren (siehe Abbildung 5). Jedes dieser Szenarien hat einen direkten Einfluss sowohl auf die kurzfristige als auch auf die langfristige Profitabilität des Herstellers und sollte somit mit großer Sorgfältigkeit ausgearbeitet werden:

Abbildung 5: Exemplarische Verhandlungsszenarien für Hersteller

 

2.5    Schritt V: Fundierte Vorbereitung ist das A und O

Eines der wichtigsten Verhandlungsprinzipien in der Praxis nennt sich 5P: Proper Preparation Prevents Poor Performance. Dieses bedeutet, dass Hersteller rechtzeitig mit einer fundierten Vorbereitung beginnen sollte. Dabei empfehlen sich insbesondere für die Verhandlungsszenarien Rollenspiele, die mit dem Verhandlungsteam des Herstellers und einem Moderator durchgeführt werden. In diesem Rollenspiel übernimmt der Moderator oft die Rolle des Vendor Managers und geht mit dem Hersteller-Team die einzelnen Szenarien durch. Das Ziel ist dabei, dass die eigenen Mitarbeiter ein klares Gefühl dafür gewinnen, welche Ziele der Vendor Manager in den Jahresverhandlungen verfolgt und wie sich beide Seiten (Hersteller und Amazon) gegenseitig helfen können, ihre Ziele zu erreichen.

 

3      Fazit

Dieser Beitrag macht deutlich, dass die Verhandlungen mit Amazon keine leichte Station für die meisten Hersteller darstellen. Wer in den Jahresgesprächen gute Ergebnisse erzielen will, sollte deshalb ausreichend Zeit in die Vorbereitung, Simulation und konsequente Umsetzung der erarbeiteten Verhandlungsstrategie investieren.

Vor allem vor dem Einstieg in das Amazon Vendor Modell sollte ein optimales Vertrags- und Konditionenmodell aufgebaut werden, denn dies stellt für die nachfolgenden Jahr die Baseline einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung mit Amazon dar und ist hinsichtlich der nachhaltigen Profitabilität eines Herstellers auf Amazon elementar.

 

Bestandteile einer Amazon Strategie

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

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Die Digitalisierung des Mittelstandes wurde 2020 durch die Corona-Pandemie weiter vorangetrieben. Darüber hinaus zeigt sich, dass Vorreiter der Digitalisierung im deutschen Mittelstand weniger negativ von der Pandemie und den Konsequenzen betroffen waren. Nichtsdestotrotz ist der digitale Reifegrad des deutschen Mittelstandes immer noch als gering einzuschätzen. Mittelständler sehen nun die Digitalisierung vor allem als Chance um Prozesse zu optimieren. Allerdings gibt es noch weitere Chancen, wie eine verbesserte Produktentwicklung oder die Erschaffung neuer digitaler Geschäftsmodelle. Durch eine Bewertung des digitalen Reifegrades eines Unternehmens, können potenzielle Handlungsfelder aufgedeckt werden, die es erleichtern den Weg der digitalen Transformation anzustoßen.

Die Corona-Pandemie als Beschleuniger der Digitalisierung

Die Corona-Pandemie, die ihren Anfang im Januar 2020 in Deutschland nahm und sich bis heute fortzieht, stellt Unternehmen aller Größen und Branchen vor unvorhergesehene Herausforderungen. Durch Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wurden viele Betriebe geschlossen sowie Reise- und Kontaktverbote ausgesprochen. Der internationale und teilweise auch nationale Reiseverkehr wurden beeinträchtigt und Wertschöpfungsketten gestört, insbesondere die Versorgung mit Gütern aus China – der Werkbank der Welt. Nachfragerückgänge wurden durch Kurzarbeit kompensiert, was im Gegenzug das Kaufverhalten einiger Verbraucher negativ beeinflusste.

Da die COVID-19 Pandemie immer noch andauert, können die endgültigen und absoluten Folgen und Konsequenzen noch nicht vollends abgeschätzt werden. Die Pandemie wird jedoch häufig als Brandbeschleuniger für lange beobachtete Trends beschrieben. Einer davon ist die zunehmende Digitalisierung des Mittelstandes. Dabei zeigt sich, dass Digitalisierung nicht nur ein potenzieller Weg aus der Krise ist, sondern sich einige Unternehmen präventiv gegen diese absichern bzw. den Einfluss dieser abschwächen konnte.

Laut der Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“, konnten 80% der digitalen Vorreiter – die Top 10% der befragten Unternehmen mit dem höchsten Digitalisierungsgrad – schnell und flexibel auf die Krise reagieren. Dahingegen berichten nur 36% der übrigen befragten Unternehmen von einem derartigen Effekt. Besonders das Vorhandensein digitaler Prozesse konnte die Abläufe und auch die Produktivität während eines rapiden gestiegenen Anteiles von Homeoffice sicherstellen. Auch die Flexibilität bestehende Geschäftsmodelle zu innovieren oder neue digitale Geschäftsmodelle und Services anzubieten, konnte Mittelständlern helfen, negative Effekte durch die Pandemie abzumildern. Unternehmen, die aufgrund eines geringen digitalen Reifegrades, stark durch die Pandemie eingeschränkt wurden, sind unter Umständen in finanzielle Schieflage geraten. Dies erschwert zukünftige Investitionen oder macht diese zum jetzigen Zeitpunkt gar unmöglich.

Um Wachstumspotenziale durch Digitalisierung aufzudecken, wird zuerst der Status Quo der Digitalisierung des deutschen Mittelstandes beschrieben, bevor in einem zweiten Schritt Chancen für den Mittelstand dargelegt werden. Schließlich wird gezeigt, welche Faktoren den digitalen & E-Commerce Reifegrad beeinflussen, und wie auf Basis einer Reifegrad-Bewertung eine dedizierte Strategie erarbeitet werden kann.

Digitalisierung & E-Commerce – Status Quo im deutschen Mittelstand

Die gute Nachricht vorweg: Die Corona-Pandemie hat Digitalisierungsprojekte in der deutschen Wirtschaft noch weiter in den Fokus gerückt. 38% der im Digitalisierungsindex 2020/2021 befragten Unternehmen planen ihr Geschäftsmodell stärker zu digitalisieren, indem sie digitale Produkte und Services entwickeln. Darüber hinaus gaben 60% der befragten Mittelständler an, ihr bereitgestelltes IT- und Digitalisierungsbudget nicht zu verringern, 22% wollen dieses sogar erhöhen und nur 18% planen es zu verringern.

Hohe Priorität haben digitale Kollaborationslösungen, sowie Remote Access & VPN-Lösungen, welche sowohl die interne Kommunikation erleichtern und zusätzlich auch den Vertrieb nach außen unterstützen. Es ist zu erkennen, dass Mittelständler die Vorteile der Digitalisierung vor allem in der Prozessoptimierung zur Effizienzsteigerung sehen. Zwar ist vielen Unternehmen bewusst, dass die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle und Services ein wichtiges Fokusthema für ihre zukünftige Ausrichtung darstellt, jedoch sind die Anstrengungen diesbezüglich im gesamten Mittelstand eher zurückgestellt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Immerhin 19% der befragten Unternehmen gaben an, ihre Investitionen für E-Commerce Lösungen anzuheben, und setzen somit die Entwicklung neuer Absatzkanäle in den Vordergrund.

Analysiert man allerdings genauer und betrachtet den historischen Verlauf des Digitalisierungsstands im Vergleich zu ausländischen Volkswirtschaften, fällt schnell auf, dass dieser Anstieg auch notwendig ist, da der Digitalisierungsreifegrad im Mittelstand im Vergleich zu führenden Ländern auf einem eher niedrigen Niveau anzusiedeln ist. Im aktuellen Ranking zur digitalen Wettbewerbsfähigkeit des IMD World Competitiveness Centers, welches die digitale Wettbewerbsfähigkeit von Ländern anhand von mehreren wirtschaftlichen, kulturellen und staatlichen Faktoren bewertet, rankt Deutschland nur auf Rang 18, knapp hinter China auf Platz 16, und weit abgeschlagen hinter den USA auf dem ersten Platz. China zog im Jahr 2020 allerdings erstmals an Deutschland vorbei und konnte sich um sechs Plätze nach oben verbessern im Vergleich zum Vorjahr, während Deutschland seine Position in den letzten Jahren nicht signifikant verbessern, sondern gerade so halten konnte.


Abbildung 1: IMD Digital Competitiveness Ranking

Obwohl die Investitionsbudgets deutscher Unternehmen seit Jahren ansteigen, ist dieser Anstieg im internationalen Vergleich nahezu verschwindend gering. Während die Ausgaben für digitale Forschung & Entwicklung in Deutschland im Jahr 2018 um 9% anstiegen, wuchsen sie in China im gleichen Zeitraum um 23% an und in den USA um 12%. Davon ausgehend, dass das Gesamtniveau in den weltweit führenden Volkswirtschaften deutlich höher liegt, zeigt sich, dass trotz steigender Investitionen nicht von Aufholen die Rede sein kann. Der deutsche Mittelstand und die deutsche Politik sind gezwungen weiter zu investieren.

Die Hauptherausforderungen der Mittelständler sind hierbei sehr divers, doch lassen sich bestimmte Kern-Herausforderungen ableiten. Ein Kernproblem für viele Mittelständler ist fehlendes Know-how, sei es in Form von Wissen oder auch mangelndes Personal. Oft werden deswegen Digitalisierungsprojekte nur halbherzig oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht angegangen. Dieses Problem hängt zudem mit der schwierigen Kosten-Nutzen-Abwägung der Prozessdigitalisierung sowie der fehlenden Akzeptanz im Unternehmen zusammen. Je hierarchischer und traditioneller beispielsweise die Unternehmenskultur geprägt ist, desto schwerer lassen sich ganzheitliche Digitalisierungsstrategien entwickeln. Im deutschen Mittelstand kommt diese Art der Unternehmenskultur besonders häufig vor. Darüber hinaus bestehen immer noch Sorgen bezüglich der Datenschutz-Anforderungen, sowie des zusätzlichen Risikos durch Cyber-Angriffe. Zuletzt fehlen einigen Unternehmen schlichtweg die finanziellen Mittel bzw. die Risikobereitschaft IT-Projekte durch Kredite zu finanzieren, obgleich die KfW dedizierte Digitalisierungskredite mit günstigen Konditionen anbietet.

Um den aktuellen Digitalisierungsstand im deutschen Mittelstand genauer zu betrachten, hilft ein Blick auf drei Kernthemen der Digitalisierung: E-Commerce Strategie, Digitale Sales Center, d.h. die vollständige Digitalisierung des Vertriebs- und Marketings unter Einbezug der Kundeninteraktion und die Digitalisierung von indirekten Unternehmensfunktionen. Laut der Studie „Digitalisierungsindex Mittelstand 2020/2021“ gaben 19% der Mittelständler an, ihre Investitionsbudgets für E-Commerce zu erhöhen. Vor allem für Unternehmen, die Waren für Endkunden produzieren, ermöglichen Direct-to-Consumer E-Commerce Distributionskanäle zusätzliches Wachstum. Zudem wird die Abhängigkeit von Intermediären gesenkt und höhere Margen lassen sich erzielen. Bedeutend ist auch, Produkte auf den gängigen großen Online-Marktplätzen wie u.a. Amazon, real.de und OTTO Market zu listen. 2020 war das erfolgreichste Jahr für den deutschen B2C Online-Handel, da durch die Corona-Pandemie zusätzliche Kundengruppen, aber auch Unternehmen auf Online-Vertriebskanäle angewiesen waren und dies zum aktuellen Zeitpunkt auch noch sind.

Das Gesamtvolumen des deutschen B2C E-Commerce Umsatzes 2019 beläuft sich auf ca. 59,2 Milliarden Euro, was einem Wachstum von ca. 11% im Vergleich zum Vorjahr (53,3 Milliarden Euro in 2018) entspricht. Aber auch der B2B E-Commerce wird für den Mittelstand in Zukunft an Relevanz gewinnen, denn besonders hier liegen verstecke ungenutzte Potenziale. Mithilfe von Elektronischem Datenaustausch (EDI – Englisch für Electronic Data Interchange) werden Transaktionsprozesse stark vereinfacht. Für 2020 wurde ein Gesamtumsatzvolumen des deutschen B2B E-Commerce von ca. 1.300 Milliarden Euro prognostiziert.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die zunehmende Digitalisierung von Vertrieb und Marketing. Die interne Prozessdigitalisierung mithilfe des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnik hat eine Grundlage für den digitalen Vertrieb geschaffen. Viele B2B Anbieter benutzen seit Beginn der Corona-Pandemie bildschirmunterstützte Vertriebsmethoden, d.h. Verkaufsgespräche werden beispielsweise mit Hilfe von digitalen Tools abgehalten, die dem Kunden einen bestmöglichen Eindruck physischer Produkte vermitteln sollen. Zahlreiche Hersteller im B2B-Segment sind in der Konzeption und Umsetzung von Digital Sales Center, um Vertriebsaktivitäten digital abzubilden.

Deutsche Mittelständler setzen auf Digitalisierung, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten. Das Jahr 2020 steht ganz im Zeichen der Microsoft Teams und Zoom Konferenzen. Durch ein höheres Home-Office-Aufkommen mussten Unternehmen in diese digitalen Kommunikationsmethoden investieren, was vor allem kleinere Unternehmen vor Herausforderungen stellte. Einmal eingesetzt, bemerken allerdings viele Unternehmen die Effizienzgewinne, sodass zu erwarten ist, dass auch in Zukunft viele Mittelständler ihren Mitarbeiten das Arbeiten von Zuhause ermöglichen werden.

Chancen durch Digitalisierung & E-Commerce im deutschen Mittelstand

Der teils flächendeckende Einsatz von digitalen Kommunikationstechnologien wie Zoom oder Microsoft Teams hat zu Effizienzgewinnen in Unternehmen geführt und auch die Akzeptanz von digitaler Kommunikation im Vertrieb gesteigert. Eine Umfrage, durchgeführt an der HHL Graduate School of Management in Leipzig mit Entscheidern aus mittelständischen Unternehmen aus der Maschinenbaubranche zeigte, dass der digitale Vertrieb sich vor allem im Vertrieb mit Altkunden als effektiv erwies. Bereits vorhandene Geschäftsbeziehungen ließen sich effizient aufrechterhalten und zusätzliche Verkäufe konnten generiert werden. In einzelnen Fällen konnten deutsche Mittelständler auch erste Verkäufe mit einer rein digitalen Customer Journey erzielen.

Digitalisierung geht auch immer mit dem Sammeln von Daten verbunden. Das Sammeln, Verarbeiten und Verwerten von Maschinendaten kann beispielsweise für eine zielgerichtete Produktentwicklung eingesetzt werden. Zusätzlich kann das Auswerten von Kundendaten aufzeigen, welche Funktionen von Kunden genutzt werden. Ein weiterer Anwendungsbereich ist Predictive Maintenance, was als ergänzende digitale Dienstleistung angeboten werden kann. Ein Vorreiter des deutschen Mittelstandes ist der Werkzeugmaschinenbauer TRUMPF, der seine Lasersysteme über Condition-Based Services überwacht und somit die Verfügbarkeit und Produktivität erhöht. Dabei stellt TRUMPF seinen Kunden auch eine eigene Software zur Verfügung, um die Beschaffenheit der eigenen Laserköpfe zu überprüfen.

Die Digitalisierung bietet jedoch nicht nur Potenzial bestehende Geschäftsmodelle effizienter zu gestalten, sondern auch die Möglichkeit digitale Produkte und Services zu entwickeln und sogar ganze Geschäftsmodelle zu überdenken. Ein Beispiel hierfür ist der Niedergang von Kettler, einem deutschen Hersteller von Fitnessgeräten, während des gleichzeitigen Aufstiegs von Peloton, einem US-amerikanischen Start-up. Kettler hat den Schritt zur Digitalisierung seiner Produkte verpasst und musste im Jahr 2019 zum wiederholten Male Insolvenz anmelden. Peloton hingegen identifizierte Kundenanforderungen, erschuf eine Fitness-Community und eine Plattform, wodurch Mehrwert für den Kunden geschaffen und ein neues Geschäftsmodell aufgebaut wurde. Das Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass Digitalisierung auch den Schritt vom reinen Produzenten hin zum Dienstleistungsanbieter ermöglicht. Deutlich wird auch, dass die Digitalisierung neben puren Effizienz- und Prozessoptimierungsvorteilen, weitere Chancen für den deutschen Mittelstand bereithält. Um ein Unternehmen für die anstehende digitale Transformation optimal auszurichten, gilt es zuerst den digitalen Reifegrad eines Unternehmens zu bewerten.

Entwicklung einer dedizierten Digitalisierungs- & E-Commerce Strategie

FOSTEC & Company entwickelte zur systematischen Analyse und vergleichenden Bewertung des digitalen Reifegrades von Unternehmen das „Digital Readiness Assessment“. Durch einen dedizierten Scoring-Prozess werden die fünf Bereiche Strategie, Kunden, Wettbewerb, Organisation und Technologie systematisch analysiert und entlang spezifischer Kriterien bewertet.


Abbildung 2: Digital Readiness Assessment

  1. Strategie

Es wird geprüft, inwieweit eine systematische Digitalisierungsstrategie und ein konsistentes Verständnis über die unternehmensweite Digitalisierung vorliegt. Häufig existieren innerhalb eines Unternehmens keine trennscharfe Definition bzw. kein gemeinschaftliches Verständnis des Buzzwords „Digitalisierung“. Dies erhöht die Gefahr von „Digitalisierungs-Aktionismus“ und das Schaffen von Digitalen-Insellösungen, die nicht aufeinander abgestimmt sind, und somit häufig weitere Komplexität schaffen.

  1. Kunden

Um den eigenen digitalen Reifegrad zu ermitteln, muss auch der digitale Reifegrad der Kunden geprüft werden, d.h. es muss untersucht werden, welche digitalen Anforderungen auf Kundenseite existieren, da Digitalisierung im Vertrieb und Customer-Relationship-Management immer auch kundengetrieben ist. Zusätzlich erfordern sich stetig ändernde Kundenanforderungen eine gewisse Flexibilität auf Unternehmensseite. Die Überprüfung, inwieweit diese Kundenanforderungen erfüllt werden, ist daher ein wichtiger Indikator zur Bewertung des digitalen Reifegrades.

  1. Wettbewerb

Neben den Kunden(-gruppen), sollte auch die digitale Reife der Wettbewerber – insbesondere in Bezug auf den Vertrieb – genauestens untersucht werden. Gerade neue, digital-affine Marktteilnehmer versuchen sich als „New Gatekeepers“ mit digitalen Zusatzservices vor den Kunden zu schieben und somit bestehende Vertriebsstrukturen zu sprengen. Gleichzeitig rüsten auch bestehende Wettbewerber auf um den neuen Ansprüchen der zunehmend digitalen Customer Journey gerecht zu werden.

  1. Organisation

Auch die Organisation selbst und das vorhandene Know-how werden im Rahmen des Digital Readiness Assessment näher analysiert. Für eine erfolgreiche Digitalisierungsstrategie muss das Thema Digitalisierung in Kultur und Organisation des Unternehmens verankert sein. Dies umfasst unter anderem die Installation neuer Rollen und Verantwortlichkeiten, wie etwa der Position eines Chief Digitalization Officer. Andererseits gilt es vor allem das entsprechende Know-how zu den vielfältigen Digitalisierungsthemen funktions- wie länderübergreifend im Unternehmen zu etablieren. Vor diesem Hintergrund spielt der digitale Reifegrad der Unternehmensorganisation eine wichtige Rolle.

  1. Technologie

Bewertung des digitalen Reifegrads in Bezug auf die in den verschiedenen Kernfunktionen eingesetzten Technologien, welche als Grundbaustein für eine funktionierende digitale Transformation dienen. In diesem Sinne wird funktionsübergreifend, d.h. von Accounting über Vertrieb und die interne Kommunikation hinweg – überprüft, welche digitalen Technologien bereits eingesetzt werden und wo Handlungsbedarf bzw. Defizite bestehen.

Unabhängig vom Gesamt-Score werden pro Analysebereich, entsprechend des jeweilig erreichen Einzel-Scores, relevante Digitalisierungs-Handlungsfelder abgeleitet. Die so identifizierten Handlungsfelder werden dann, typischerweise im Rahmen einer ganzheitlichen Strategie, zur digitalen Transformation weiter analysiert und ggf. im Rahmen eines Business Case hinsichtlich Chancen und Risiken evaluiert. Darauf aufbauend erfolgt eine Priorisierung, bevor die Handlungsfelder dann in konkrete Maßnahmen überführt werden und durch eine systematische Implementierung in das Tagesgeschäft integriert werden.

Zusätzlich werden auch immer wieder Potenziale für E-Commerce freigelegt, deren Reifegrad wiederrum mit einem dedizierten E-Commerce Readiness Assessment analysiert werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Online-Visibilität und den Reifegraden der Haupt-E-Commerce Distributionskanäle (Online Marktplätze, Third Party eRetailer und Direct Sales & Affiliate). Diese werden jeweils im Vergleich zum Wettbewerb betrachtet. Als letzter Bereich wird das Online-Kaufverhalten und die Online-Affinität der Zielgruppe des Unternehmens untersucht. Anhand dieser Analyse können die Anforderungen an eine gesamtheitliche E-Commerce Strategie abgeleitet werden, welche eine interne und externe Unternehmensanalyse beinhaltet, in der verschiedene Bereiche genauer auf ihren E-Commerce Reifegrad untersucht werden.

Weiterführende Inhalte

Digitale Transformationsstrategie E-Commerce Strategie

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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Markus Fost

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

Immer mehr Hersteller von Konsumgütern ergreifen die Initiative, ihre Produkte Endkunden direkt anzubieten. Ein durch digitale und soziale Medien geprägtes Konsumentenverhalten hat die Entwicklung von „Direct-to-Consumer“ (D2C) stark gefördert und wurde durch die COVID-19 Pandemie sogar noch beschleunigt. Durch den kurzfristigen Wegfall von stationären Vertriebswegen aufgrund von Lockdowns mit staatlich angeordneten Geschäftsschließungen, wurden Hersteller gezwungen ihre bisherigen Distributionsstrategien umgehend zu überdenken und neue Vertriebswege mit direktem Kundenkontakt in kurzer Zeit aufzubauen.

„Direct-to-Consumer“ kann von Herstellern auf unterschiedliche Weise umgesetzt werden. Marktplätze und Plattformen wie beispielsweise Amazon, eBay und Otto Market bieten die Möglichkeit der Produktlistung und des direkten Produktverkaufs an Endkonsumenten. Alternativ können Hersteller einen eigenen Online Shop betreiben oder mithilfe von Social Media Plattformen wie beispielsweise Instagram Produkte im Rahmen von Social Commerce ihren Followern anbieten.

Zahlreiche Start-ups, insbesondere im Konsumgüterbereich, verfolgen dabei ausschließlich einen „Direct-to-Consumer“-Ansatz und können ein beachtliches Wachstum vorweisen, wodurch sie zu attraktiven Akquisitionsobjekten werden. Wie schnell D2C-Marken wie beispielsweise Flaschenpost.de den etablierten Markenhersteller die Schnittstelle zum Kunden streitig machen können, zeigt die kürzliche Transaktion von Dr. Oetker, der den stark wachsenden Online-Getränke-Lieferanten für 1 Mrd. EUR übernimmt; zu einem Zeitpunkt, in dem dieser noch 2,5 Mio EUR pro Monat verbrennt.

Der Konsumgüterhersteller Henkel hat ebenfalls die Attraktivität von D2C-Marken erkannt und sich im letzten Jahr eine Mehrheitsbeteiligung am Berliner Unternehmen Invincible Brands Holding gesichert, zu dem die schnell wachsenden D2C-Marken aus dem Premium Beauty Segment HelloBody, Banana Beauty und Mermaid+Me gehören. Mit mehr als 1,5 Mio. aktiver Kunden will Henkel seine digitale Positionierung stärken und den direkten Kundenkontakt ausbauen. Auch der Lebensmittelkonzern Nestlé hat Ende 2020 das britische Kochboxen-Start-up Mindful Chef und das US-Fertiggerichte-Start-Up freshly akquiriert – beide reine D2C-Marken mit großer Kundenbasis.

Wie stark ausgeprägt das Thema D2C in unterschiedlichen Branchen ist, hat die Universität St. Gallen bei 340 Marken im deutschsprachigen Raum untersucht und dabei die Häufigkeit eines Online Shops bei Markenherstellern als Ausprägung für einen direkten Vertriebskanal ermittelt. Während die Integration von Online Shops am häufigsten in der Bekleidungs- und Textilindustrie sowie in der Branche Sport, Freizeitkleidung und Sportartikel anzutreffen ist, weist die Getränkeindustrie trotz der Flaschenpost.de Transaktion nur den geringsten Anteil auf.


Abbildung 1: Häufigkeit eines D2C-Online Shops nach Branchen in der DACH-Region

 

Mehrwerte von „Direct-to-Consumer“

Die Entscheidung eines Unternehmens für „Direct-to-Consumer“ bietet zahlreiche Mehrwerte. Können Markenhersteller ihre Zwischenhändler auf dem Weg zum Endkunden übergehen, steigern sie ihre Marge, die sonst von Intermediären im Vertriebsprozess abgegriffen werden würde. Durch das höhere Margenpotenzial können auch Preissenkungen in Erwägung gezogen werden, für die zuvor kein Spielraum vorhanden war.

Ein weiterer Mehrwert des Direktvertriebs über beispielsweise einen eigenen Online Shop liegt in der Steuerungshoheit der Markenrepräsentation. Markenhersteller können eigenständig über die Gestaltung von Produktinhalten entscheiden und auf diese Weise ihren Markenaufbau stärker fördern als dies bei einer indirekten Vertriebsform möglich wäre. Interaktionsmöglichkeiten von Kunden mit der Marke sind deutlich einfacher realisierbar, was die Kundenbindung und das Kundenerlebnis maßgeblich stärkt.

Die Schaffung einer direkten Kundenverbindung mit einer D2C-Strategie erweist sich hinsichtlich des Direktzugriffs auf Kundendaten als äußerst attraktiv. Während im direkten Vertrieb ein Hersteller lediglich mit Intermediären agiert und keinerlei Informationen zu den finalen Konsumenten erhält, hat der Hersteller nun direkten Zugriff auf Kundendaten und kann auf diese Weise deren Bedürfnisse besser verstehen. Diese Erkenntnisse können vielfältig genutzt werden wie beispielsweise das Angebot maßgeschneiderter Services, aber auch Anregungen von Kunden können auf diese Weise leichter aufgefangen werden, die in Produktoptimierungen und auch Produktneuentwicklungen münden. Kunden können zu Co-Entwicklern werden und die „Kunden-Community“ kann an Produktentwicklungsprozessen partizipieren. Das Personalisieren von Produkten ist eine weitere Facette, die sich als Option einer direkten Kundenbeziehung ergeben kann.

Während der Aufbau eines stationären Vertriebs- und Partnersystems in neuen Märkten mit erheblichem Aufwand verbunden ist, vereinfacht der Direktvertrieb mittels Online Shop oder Online Marktplatz die Expansion in neue Märkte erheblich. Zuletzt sei noch erwähnt, dass bei „Direct-to-Consumer“ Produkte deutlich schneller auf den Markt gelangen als auf indirektem Wege. Hersteller können in ihren eigenen Online Shops und Marktplätzen Produkte jederzeit und schnell anbieten.

 

Herausforderungen von „Direct-to-Consumer“

Die Umsetzung einer D2C-Vertriebsstrategie stellt viele Hersteller vor Herausforderungen. Produzenten mit etablierten indirekten Vertriebskanälen sehen die Gefahr von Kanalkonflikten bei Aufnahme des Direktvertriebs, da sie von ihren Vertriebspartnern als Konkurrenz wahrgenommen werden und deren Umsätze und Margen gefährden. Zusätzlich bringt die Einführung des digitalen Direktvertriebs eine Fülle an Neuerungen für das Unternehmen mit sich. Die Integration von Shopsystemen oder anderer digitaler Kanäle erhöht die Komplexität in der IT-Architektur der Hersteller. Zwar steigt die Komplexität bei der Implementierung eines eigenen Online Shops deutlich stärker an als bei der Nutzung einer Marktplatz-Infrastruktur, jedoch sollte auch hier der Aufwand nicht unterschätzt werden.

Viele Unternehmen müssen zudem die notwendige Kompetenz zur Bewältigung der mit D2C verbunden Aufgaben erst aufbauen und neue talentierte und digital-affine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen oder weiterbilden. Ebenso wichtig wie digitales Know-how im Unternehmen ist eine Veränderung der Denkweise von stationär und indirekt zu direkt und digital. Besonders betroffen ist auch die Logistik, da Kunden nun direkt beliefert werden und die Prozesse und Abläufe sich deutlich von Business-to-Business (B2B) zu Direct-to-Consumer (D2C) unterscheiden.

 

Direct Brands und ihre Relevanz für Markenhersteller

Die genannten Herausforderungen implizieren Veränderungen, vor denen etablierte Unternehmen häufig zurückschrecken. In den letzten Jahren sind zunehmend Marken entstanden, die seit ihrer Gründung ausschließlich auf den digitalen Direktvertrieb ihrer Produkte setzen. Diese so genannten Direct Brands bzw. Digital Native Vertical Brands (DVNBs) zeichnen sich häufig durch hohe Innovationskraft aus und gelten als Disruptoren in ihrer Branche.

Da sie nicht von festgefahrenen Strukturen betroffen sind und keine komplexen Transformationen durchlaufen müssen, können sie sich auf das Generieren von Innovationen konzentrieren. Ihre starke Fokusorientierung wird auch in ihrer Produktpalette deutlich. Sie bieten meist nur ein sehr kleines Sortiment, teils sogar nur ein einziges Produkt an. Durch ihren engen Produktfokus können sie sich als Nischenexperte etablieren und legen besonderen Wert auf die Entwicklung ihrer Marke und einer hervorragenden User Experience. Die ausschließliche Ausrichtung auf den direkten und digitalen Vertriebsweg ermöglicht effizientes agieren. Zudem ignorieren Direct Brands Branchenkonventionen wie beispielsweise der Launch von Produkten auf Leitmessen in der Elektronikindustrie oder Kollektionswechsel bei Kleidung.

Ihre effiziente Struktur ermöglicht es ihnen, sich schnell an Veränderungen des Zeitgeistes anzupassen. Deutlich wird dies auch an der Art wie Marketing betrieben wird, da sie oft ausschließlich auf Social-Media-Kanäle setzen, um eine treue und loyale Kundenbasis (Community) aufzubauen. Der Fokus liegt hierbei häufig auf Purpose Driven Marketing, d.h. es wird versucht durch geschicktes Storytelling eine Verbindung zu den Endkunden aufzubauen. Gleichzeitig führt dies dazu, dass die Community stetig weiter wächst, die wiederum neue interessierte Kunden anlockt. Ein Beispiel ist das Matratzen-Startup Casper, das sich auf seiner Webseite als Experte rund um das Thema Schlafen präsentiert und somit seine Kunden bindet, um Folgetransaktionen zu generieren. Die ausschließliche Ausrichtung auf digitalen Direktvertrieb bedingt eine für D2C optimierte Verpackung, spezifische Serviceangebote und Pricing. Kanalkonflikte entstehen nicht und Preisstabilität ist gewährleistet.

Trotz der Gefahr durch Direct Brands für etablierte Unternehmen, können diese viel von ihnen lernen oder durch Akquisitionen wie im Fall von Dr. Oetker mit Flaschenpost.de und Henkel bei Invincible Brands ihren digitalen Fußabdruck stärken. Achtsamkeit ist in jedem Fall erforderlich, da Direct Brands Marktanteile etablierter Hersteller abgreifen möchten.

 

Einschätzungen zum Konsumgütermarkt im Jahr 2021

„Die Sensibilisierung und das Beschäftigen mit dem Thema D2C-Strategie hat spätestens mit den Akquisitionen von Flaschenpost.de durch Dr. Oetker und Invincible Brands durch Henkel begonnen. Ab 2022 ist davon auszugehen, dass über ein Drittel der Konsumgüterhersteller mit einer D2C-Strategie an den Start gehen werden. Dabei wirkt die COVID-10 Pandemie wie ein Trendbeschleuniger, der die D2C-Launchzeiten um zwei bis drei Jahre verkürzt hat“, so Markus Fost, Managing Partner von FOSTEC & Company.

Markenhersteller werden eine Entwicklung hin zu D2C-Vertriebsmodell machen, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Der starke Anstieg von D2C Marken mit kleinen Sortimenten wird dazu führen, dass traditionelle Marken mit großen Sortimenten weniger zu sehen sein werden, da sich eine Verschiebung der Anteile zugunsten von D2C Marken ergeben wird.

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Markus Fost, MBA, ist Experte für E-Commerce, Online Geschäftsmodelle und Digitale Transformation mit einer breiten Erfahrung in den Feldern Strategie, Organisation, Corporate Finance und der operativen Restrukturierung.

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